Weltweite Goldnachfrage weiterhin im Höhenflug
Der World Gold Council (WGC) veröffentlicht mittlerweile seit 30 Jahren in der Publikation „Gold Demand Trends“ wichtige Daten zur Entwicklung von Angebot und Nachfrage an den weltweiten Goldmärkten – wie gewohnt mit interessanten Erkenntnissen.
Globale Goldnachfrage zieht 2022 um 18,1 Prozent an
Während dieser drei Jahrzehnte hat sich viel getan. 1992 hatte der Schmucksektor noch einen Marktanteil von über 60 Prozent und Notenbanken haben sich im großen Stil von ihren Goldbeständen getrennt. Heutzutage treten die „Währungshüter“ in erster Linie als Goldkäufer in Erscheinung und der Marktanteil der Schmuckbranche hat sich mittlerweile auf 30 Prozent reduziert. An Bedeutung erheblich gewonnen haben die seit 2004 handelbaren Gold-ETFs sowie das Marktsegment Barren & Münzen. Letzteres hat seinen Marktanteil seit 1992 auf fast 32 Prozent ungefähr verdreifacht.
Laut aktuellen Daten des World Gold Council (WGC) erzielte 2022 die globale Goldnachfrage zum zweiten Mal in Folge eine Steigerung im zweistelligen Prozentbereich. Im vergangenen Jahr war ein Zuwachs von 4.012,8 auf 4.740,7 Tonnen und damit ein Plus von 18,1 Prozent registriert worden. Noch stärker fiel das Interesse an Gold letztmals im Jahr 2011 (4.746,4 Tonnen) aus. Doch das Zahlenwerk des WGC war durch Licht und Schatten gekennzeichnet. Insbesondere der ETF-Sektor erwies sich 2022 als besonders starker „Bremsklotz“. Weltweit haben sich nämlich die Goldbestände physisch besicherter Gold-ETFs (bzw. ETCs) um 110,8 Tonnen reduziert. In den vergangenen Jahren entwickelte sich dieses Marktsegment außerordentlich volatil, schließlich waren 2020 noch Goldzuflüsse in Höhe von 892,4 Tonnen registriert worden, die sich ein Jahr später in Abflüsse von 189,0 Tonnen verwandelt hatten.
2022 entfiel der Löwenanteil der Goldabflüsse auf die Region Nordamerika (minus 74,6 Tonnen), gefolgt von Asien (minus 21,3 Tonnen) und Europa (minus 14,7 Tonnen). Trotz des russischen Kriegs gegen die Ukraine und trotz der massiven chinesischen Drohungen gegen Taiwan scheint man jenseits des Atlantiks die geopolitischen Risiken eher auszublenden und stattdessen auf die „heilenden Hände der Notenbanker“ zu vertrauen.
Nachfrageschwäche im Schmucksektor
Auch die Schmucknachfrage hat sich 2022 negativ entwickelt. Bereinigt um Bestandsänderungen war hier ein Rückgang von 2.147,7 auf 2.086,2 Tonnen (-2,9 Prozent) zu beklagen. Dieses Minus war vor allem auf das geringe Interesse der Chinesen zurückzuführen, die sich zum einen aufgrund der corona-bedingten Wirtschaftsrestriktionen und zum anderen wegen der Konjunkturschwäche weniger Goldschmuck gegönnt haben. Gegenüber dem Vorjahr schlug ein Rückgang von 699,3 auf 598,3 Tonnen (-14,4 Prozent) zu Buche. Weil in Indien lediglich ein Nachfrageminus von 610,9 auf 600,4 Tonnen (-1,7 Prozent) zu beobachten war, gilt im Schmucksektor nun das Milliardenvolk des Sub-Kontinents als goldhungrigste Nation.
Negative Vorzeichen gab es auch im Marktsegment Technologie zu vermelden, wo sich das verschlechterte wirtschaftliche Umfeld, die corona-bedingten Restriktionen sowie die Lieferkettenprobleme zu einem markanten Nachfragerückgang geführt haben. Laut WGC stellte sich gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang von 330,2 auf 308,5 Tonnen (-6,6 Prozent) ein, was insbesondere auf die besonders schwache Entwicklung im vierten Quartal zurückzuführen war.
Barren- und Münznachfrage zieht an
Weltweit gab es bei Barren und Münzen lediglich moderates Nachfragewachstum zu vermelden. Auf Jahressicht stellte sich hier nämlich ein Zuwachs von 1.190,9 auf 1.217,1 Tonnen (+2,2 Prozent) ein. Einen regelrechten Einbruch der Nachfrage war vor allem in China festzustellen, dem weltweit wichtigsten Marktplayer. Hier war nämlich ein Minus von 285,5 auf 218,2 Tonnen (-23,6 Prozent) registriert worden. Besonders interessant: In Deutschland boomte die Barren- und Münznachfrage, was durch einen Anstieg von 162,6 auf 185,3 Tonnen (+14,0 Prozent) zum Ausdruck kam. Damit löste Deutschland das bevölkerungsreiche Indien als weltweite Nummer Zwei in diesem relativ wichtigen Marktsegment ab.
Als absolutes Highlight haben sich 2022 vor allem die deutlich gestiegenen Nettokäufe der Notenbanken erwiesen. Während sich diese im Jahr zuvor auf „lediglich“ 450,1 Tonnen beliefen, hat sich deren Interesse auf 1.135,7 Tonnen (+152,3 Prozent) mehr als verdoppelt und damit den höchsten Wert seit 1967 erreicht. Zudem meldete China erstmals seit September 2019 eine Aufstockung seiner Goldreserven. Mit 62 Tonnen landete das Riesenreich aber nur auf Rang 2 der „goldhungrigsten“ Notenbanken, die stärksten Notenbankenkäufe kamen nämlich aus der Türkei (148 Tonnen). Signifikantes Kaufinteresse gab es aber auch aus Ägypten (47 Tonnen), Katar (35 Tonnen), dem Irak (34 Tonnen) und den Vereinigten Arabischen Emiraten (25 Tonnen) zu vermelden. Das enorme Interesse der Notenbanken an Gold sollte jedem Privatanleger vor Augen führen, dass die Krisenwährung offensichtlich weiterhin als kaufenswert anzusehen ist.
Ihr ganz großer Vorteil besteht bekanntlich darin, dass sie sich nicht unbegrenzt und schon gar nicht beliebig schnell vermehren lässt. Im vergangenen Jahr ging es mit dem globalen Goldangebot deutlich langsamer bergauf als mit der Nachfrage, was normalerweise für einen steigenden Goldpreis spricht. So hat sich die Minenproduktion auf Jahressicht von 3.568,9 auf 3.611,9 Tonnen (+1,2 Prozent) erhöht. Im Recyclingsektor stellte sich ein leichtes Plus von 1.136,2 auf 1.144,1 Tonnen (+0,7 Prozent) ein. Bereinigt um Hedging-Transaktionen war 2022 beim Gesamtangebot ein Zuwachs von 4.682,4 auf 4.754,5 Tonnen (+1,5 Prozent) registriert worden.
Ausblick des WGC für 2023 fällt gemischt aus
Hinsichtlich der weiteren Entwicklung der globalen Nachfrage sieht der WGC vor allem im Investmentsektor signifikantes Wachstumspotenzial. In westlichen Ländern könnte das Interesse an Barren und Münzen zwar nachlassen, in Asien sei indes mit einer robusten Nachfrage zu rechnen. Sowohl die Terminmärkte als auch der ETF-Sektor könnte 2023 den Goldpreis positiv beeinflussen, nachdem sie sich im vergangenen Jahr eher als Belastungsfaktor erwiesen haben.
Der Goldappetit der internationalen Notenbanken wird sich nach Ansicht des WGC im Laufe dieses Jahres höchstwahrscheinlich abschwächen, weil schwindende Währungsreserven der Zentralbanken ein weiteres Hochfahren der Goldbestände erschweren könnten. Bei der Schmucknachfrage hält der WGC zwar eine erneute Verbesserung für möglich, wenngleich erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Konjunktur sowie die Gefahr neuerlicher Corona-Restriktionen in China diese Prognose durchaus gefährden.
Alles in allem konstatieren die Experten des WGC dem Goldpreis für das laufenden Jahr dennoch mehr Aufwärts- als Abwärtspotenzial zu. Als Gründe nennen sie zum einen die schwindenden Zinssorgen und zum anderen die nachlassende Inflationsgefahr. Ein Rückgang der Inflation sei wahrscheinlich, würde aber eher bei Barren sowie Münzen und weniger im ETF-Sektor die Nachfrage bremsen.
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