So tun, als wäre nichts gewesen – das können die weltweiten Finanzmärkte seit Jahren ziemlich gut. Denn obwohl Italien nach der Parlamentswahl auf dem besten Weg ins politische Chaos ist, feiern die Anleger die Erholung des deutschen Aktienindex „Dax“ und Gold bewegt sich kaum von der Stelle. Im Gespräch mit dem Internetportal „finanzen.net“ erklärt Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei Solvecon Invest, warum Gold aus seiner Sicht an Attraktivität nichts eingebüßt hat: „Für mich bleibt Gold ein Go-to-Asset.“ Er erinnert daran, dass die „smarten“ Zentralbanken von China und Russland ihre Goldreserven massiv ausbauen. „Diese wissen sehr genau, was sie tun“, stellt Hellmeyer klar. Er vergleicht das Investment in Gold mit einem Marathonlauf und empfiehlt, zwischenzeitliche Korrekturen durch Interventionen an den Future-Märkten zum Nachkauf zu nutzen.
Hellmeyer warnt im Interview allerdings vor möglichen Manipulationen beim Goldpreis: „Das Problem, das wir bei Gold haben, hat nichts mit der physischen Nachfrage zu tun, sondern mit den Future-Märkten.“ Dort werde der Preis von wenigen US-Banken mit hoher Nähe zur Zentralbankpolitik gemacht, vollkommen losgelöst von den Marktbedingungen am physischen Markt. Hellmeyer beobachtet seit einigen Jahren deutliche Anomalien: „Wenn es Ausbrüche von Gold und Silber nach oben gibt, werden die Märkte durch Flash-Crashs in sehr liquiditätsarmen Zeiten, beispielsweise zwischen dem US- und Asienhandel, wieder eingefangen.“ Folker Hellmeyer macht allerdings deutlich: „Ich bleibe ein Gold-Bulle.“
Die Korrektur im Dow Jones war überfällig
Im Gespräch mit „finanzen.net“ liefert Folker Hellmeyer auch eine kritische Analyse zu den Aktienmärkten: „Insbesondere mit Blick auf den US-Markt war diese Korrektur überfällig, denn die Bewertungen dort waren zuvor sehr sportlich“, erklärt Hellmeyer. Die Verunsicherung angesichts der US-Zinspolitik, die Wahlen in Italien, die Probleme bei der Regierungsbildung in Deutschland – es gibt aktuell viele Problemquellen für mögliche Unsicherheiten. Besonders gefährlich ist aus seiner Sicht die Möglichkeit eines Handelskrieges zwischen den USA und allen wichtigen Industrienationen. Hellmeyer erwartet daher, dass die Korrektur noch nicht abgeschlossen ist. Allerdings hält Hellmeyer die deutschen Aktien im Vergleich zu ihren US-amerikanischen Pendants noch für unterbewertet. Er weist jedoch auch für Europa auf diverse Restrisiken hin, beispielsweise die eingefrorenen Konflikte im Nahen Osten, in Nordkorea und in der Ukraine.
Bei seiner Analyse geht Folker Hellmeyer besonders hart mit der US-Notenbank „Fed“ ins Gericht: „Seit 2009 haben wir in Amerika einen Aufschwung, der maßgeblich auf Pump finanziert worden ist“, warnt Hellmeyer. Das Resultat sei die höchste Konsum- und Unternehmensverschuldung und eine „sportliche“ Staatsverschuldung in den USA. Für Europa sieht Hellmeyer dagegen nachhaltige Reformen. Er warnt auch davor, dass in den USA die Zinserhöhungen einen Teil des durch die Steuerreform frei werdenden Einkommens auffressen werden, sodass der auf Pump finanzierte Aufschwung weiter gefährdet ist. Unterdessen erwartet Hellmeyer für Europa auch 2018 keine Zinserhöhung: „Die Zinsdifferenz zugunsten des US-Dollars baut sich also weiter auf.“ Erst 2019 seien kleine Zinserhöhungsschritte zu erwarten.
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