Bitcoin und Kryptowährungen – die dezentrale Zukunft des Geldes
Der Anfang der Entstaatlichung des Geldes
Mit der Entwicklung von Bitcoin und der zugrundeliegenden Blockchain-Technologie wurde es zum ersten Mal in der Geschichte möglich, dezentrales digitales Geld zu erzeugen, ohne dabei auf Finanzintermediäre wie Zentralbanken und Geschäftsbanken angewiesen zu sein. Während herkömmliche Fiatwährungen wie der Euro oder der US-Dollar von Notenbanken zentral gesteuert werden, kann der informierte Finanzmarktteilnehmer heute aus einer Vielzahl von Kryptowährungen mit unterschiedlichen Eigenschaften wählen, die die Funktionen von Geld als Tauschmittel und Recheneinheit zum Teil wesentlich besser erfüllen. Der kometenhafte Aufstieg von Kryptowährungen wie Bitcoin kann dabei als Phänomen eines globalen Trends verstanden werden, der sich den allgemeinen Zentralisierungsbestrebungen entgegenstellt. Diese Gegenbewegung findet nicht nur Ausdruck auf politischer Ebene, etwa im Brexit, der US-Präsidentschaftswahl oder dem Aufstieg von Anti-EU-Parteien wie der SVP in der Schweiz oder der AfD bei den Bundestagswahlen, sondern auch auf geldpolitischer Ebene. Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen unserer Zeit zeugen von einer Sehnsucht nach mehr individueller Freiheit, Autonomie und weniger Abhängigkeit von zentralistischen Strukturen. Kryptowährungen bergen in diesem Zusammenhang das Potenzial, die Sehnsucht nach entstaatlichtem Geld zu stillen. Erleben wir vielleicht gerade die Manifestierung einer Idee von Friedrich August von Hayek, die er in seinem Buch „Die Entstaatlichung des Geldes“ beschrieben hat?
„Wir werden niemals Inflation verhindern können, solange wir der Regierung nicht das Monopol der Geldausgabe wegnehmen. Regierungen haben uns niemals gutes Geld gegeben, ja die Begründung für das Geldausgabemonopol der Regierungen war noch nicht einmal die, sie würden uns gutes Geld geben, sondern immer nur die, sie bräuchten es zu Finanzierungszwecken. Das Ergebnis war, dass wir zweitausend Jahre lang ein Monopol hatten, das niemand in Frage gestellt hat. Wenn wir also eine freie Gesellschaft erhalten wollen, müssen wir die Demokratie neu gestalten und der Regierung das Geldausgabe-Monopol nehmen.“) [1]
Die Blockchain-Technologie und Kryptowährungen können in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung kaum unterschätzt werden. Wie auch in den Anfangsjahren des Internets werden ähnliche Kritikpunkte angeführt: Datenschutz- und Sicherheitsbedenken (was auf der Blockchain gespeichert wird, ist dort für immer abrufbar), Missbrauch zu kriminellen Zwecken (Geldwäsche und Zahlungsmittel auf Schwarzmärkten). Die Blockchain-Technologie erinnert aber auch in positiver Hinsicht an das Internet: Beide machen Informationen für jedermann einsehbar, geben dem Individuum Kontrolle über wichtige Lebensbereiche zurück und verringern die Abhängigkeit von der Regierung und zentralisierten Strukturen.
Die Blockchain-Technologie selbst ist noch weitaus revolutionärer als nur eine bestimmte Kryptowährung. Sie ermöglicht nicht nur die Dezentralisierung des Geldes, sondern auch von Verträgen und ganzen Kapitalmärkten, wie ICOs (Initial Coin Offering ist die Bezeichnung für den Börsengang) bereits eindrücklich gezeigt haben: Laut der Forschungsfirma Smith + Crown wurden allein im Jahr 2017 kumulativ fast 6,8 Milliarden Dollar durch ICOs gesammelt.
Aktuelle Herausforderungen
Allerdings gibt es auch einige technologische und regulatorische Risiken, die die Verbreitung der bahnbrechenden Technologie behindern können. Grundsätzlich ist jede Blockchain-Technologie – so wie das Internet auch – auf die Verfügbarkeit von Strom angewiesen. Abgesehen vom exzessiven Stromverbrauch, der derzeit für die Verarbeitung von Bitcoin-Transaktionen (dem sogenannten „Mining“) nötig ist, hätte ein globaler Stromausfall verheerende Folgen für die Funktionalität der Transaktionsdatenbank. Ein derzeit wesentlich dringenderes Problem stellen die Skalierungsprobleme dar, die dem beispiellosen Wachstum im Krypto-Sektor im Weg stehen. Hohe Transaktionsgebühren und Latenzzeiten im Bitcoin-Netzwerk schränken die Benutzerfreundlichkeit massiv ein. Sowohl im Bitcoin- als auch im Ethereum-Netzwerk sind die Transaktionsgebühren derzeit zu hoch, als dass Kleinstbeträge ökonomisch sinnvoll überwiesen werden könnten. Auch wenn die Kosten jetzt deutlich reduziert wurden, stieg, während des Bitcoin-Allzeithochs im Dezember 2017, die durchschnittliche Transaktionsgebühr auf über 40 US-Dollar. Mittlerweile wurden jedoch verschiedene Vorschläge in die Skalierungsdebatte eingebracht, die eine baldige Lösung des Problems versprechen. Da es im Gegensatz zu herkömmlichen Fiatwährungen bei Kryptowährungen einen regen Wettbewerb und ständige Innovation gibt, ist von einer baldigen Lösung des Skalierungsproblems auszugehen.
Unter Finanzanalysten und Ökonomen macht sich derzeit die Meinung breit, Bitcoin und der Kryptowährungsmarkt generell seien eine Blase. 2017 stieg allein der Bitcoin-Preis von etwa 1.000 auf 20.000 US-Dollar. Gleichzeitig wird behauptet, dass es keine Anwendungsbereiche für Bitcoin gebe, die den Marktpreis rechtfertigen würden – ganz im Gegenteil zu Fiatwährungen, in denen man seine Steuern entrichten muss. Außerdem gibt es ernste Bedenken hinsichtlich der Preismanipulation. Führende Börsen wie Bitfinex werden beschuldigt, Kryptowährungskurse künstlich in die Höhe getrieben zu haben. Überdies enthalten nur 1.000 Wallets insgesamt gut 40% der weltweiten Bitcoin-Bestände, wenn man den Schätzungen von Bloomberg Glauben schenken mag. Zweifellos werden die meisten Kryptowährungen wieder vom Markt verschwinden, so wie es mit den meisten Aktienunternehmen im Anschluss an die Internetblase anno 2000 auf den Tech-Märkten geschehen ist. Der Traum von einem dezentralisierten und privaten Tauschmittel bleibt jedoch bestehen und wird findige Entwickler so lange beschäftigen, bis er sich erfüllt hat.
Die Krypto-Revolution und Gold
Selbstverständlich stellen Regulierungen und Interventionen von staatlicher Seite her ein nicht zu unterschätzendes Risiko für den Kryptowährungsmarkt dar. Bis heute ist der rechtliche Status von Bitcoin und Co. in vielen Ländern unklar. Während Kryptowährungen in den meisten westlichen Ländern toleriert oder sogar unterstützt werden, wie zum Beispiel in der Schweiz, hat sich eine erhebliche Anzahl von Ländern noch nicht verbindlich zum Thema geäußert. Staatliche Eingriffe werden die Entwicklung aber höchstwahrscheinlich nicht aufhalten, sondern lediglich verlangsamen. Diese regulatorische Ungewissheit in Verbindung mit der extremen Volatilität des gesamten Sektors und den verschiedenen Sicherheitsproblemen verhindert, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen als zuverlässige Mittel der Wertaufbewahrung dienen können.
Abschließend bleibt die Frage, ob Bitcoin Gold eventuell eines Tages den Rang ablaufen könnte. Die derzeit etwa sechsmal so hohe Volatilität des Bitcoin-Preises macht es fraglos zu einem wesentlich riskanteren Vermögenswert als Gold. Bei näherer Betrachtung stellen Bitcoin und der Aufstieg des Krypto-Sektors weder eine Bedrohung noch ein Konkurrent für Edelmetalle und insbesondere für Gold dar, wie manche Autoren behaupten. Sie dienen unterschiedlichen Bedürfnissen und erfüllen verschiedene Funktionen. Während Kryptowährungen das Potenzial haben, effiziente und dezentralisierte Zahlungsmittel zu werden, wird uns physisches Gold wie schon seit Jahrtausenden als Wertspeicher erhalten bleiben. Da die physische Welt der digitalen zu Grunde liegt, wird Gold sich dank dieser Entwicklung erneut als das stabilste und liquideste „Hartgeld“ durchsetzen und einer großen Anhängerschaft erfreuen. Dazu allerdings mehr in einem weiteren Artikel.
[1] Friedrich August von Hayek, Interviewfilm „Inside the Hayek-Equation“, World Research INC, San Diego, Cal. 1979, frei übersetzt von Roland Baader
© Claudio Grass, Hünenberg, Schweiz
Bildrechte: © Jaruwan photo@fotolia