Der Wiener Philharmoniker in Gold spielt die erste Geige im Konzert der Bullionmünzen
Wenn irgendwo in der Welt kulturell interessierte Menschen gefragt werden, was sie mit Österreich verbinden, wird eine Antwort ganz oben auf der Liste stehen: Wiener Philharmoniker. Allerdings ist nicht klar, was damit gemeint ist – eines der führenden Orchester oder eine der führenden Goldmünzen der Welt. Doch egal, welche der beiden Möglichkeiten angesprochen ist, schwingen stets die gleichen Gedanken mit: Man denkt an etwas Edles, Besonderes, Einzigartiges. Man stellt sich etwas vor, was man nicht alltäglich zu Gesicht bekommt; ein Hochgenuss für alle Sinne, ein bleibender Wert über Generationen hinweg. Was auf die Wiener Philharmoniker als das wohl beste Orchester Europas zutrifft, gilt gleichermaßen auch für den Wiener Philharmoniker als beliebteste Goldmünze Europas.
Die Erfolgsgeschichte des Wiener Philharmonikers in Gold beginnt allerdings einige Jahre vor der eigentlichen Geburtsstunde der legendären Bullionmünze. In den Siebzigerjahren hatte die Nachfrage nach Gold in der österreichischen Bevölkerung zugenommen, doch die Österreicher mussten sich mit Nachprägungen von historischen Handelsgoldmünzen wie Dukaten, Kronen und Florin zu Anlagezwecken behelfen. Der Kauf von Goldmünzen war ein kompliziertes Unterfangen. Die Münze Österreich nahm das tausendjährige Jubiläum der Einsetzung der Babenberger als Gründungsgeschlecht des historischen Österreichs zum Anlass, um am 10. August 1976 ein Experiment mit ungewissem Ausgang zu wagen: Die Münze Österreich stellte erstmals in der Zweiten Republik Österreich eine Goldmünze vor. Ab dem 22. Oktober 1976 waren die Münzen bei allen österreichischen Banken und Sparkassen erhältlich und hatten durch ihren Nennwert von 1.000 Schilling den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels.
Die Reaktion der österreichischen Bevölkerung war eindeutig: Es kam zu einem regelrechten Ansturm auf die Ausgabestellen, denn der Umtauschwert von 1.000 österreichischen Schilling lag nah am tatsächlichen Goldpreis. Kurzerhand wurde eine Nachprägung in Auftrag gegeben, welche durch einen leicht rötlichen Farbton auffällt. Insgesamt wurden 1,8 Millionen Stück der Münze verkauft. Bis heute ist die Münze in allen Generationen als „goldener Tausender“ bekannt, viele Österreicher haben sie zur Hochzeit oder Firmung erhalten. Bis zur Einführung des Euro war die Goldmünze als gesetzliches Zahlungsmittel in Österreich erhältlich – doch kaum ein Österreicher wollte seine erste Goldmünze wieder hergeben.
Die Goldmünze zum 1000-jährigen Jubiläum der Einsetzung der Babenberger wird heutzutage als Wegbereiter für den Welterfolg des Wiener Philharmonikers in Gold verstanden. Die österreichische Regierung ermöglichte es mit der Goldmünze den Bürgern in Österreich erstmals, besonders unkompliziert an Gold zu gelangen. Und die Österreicher wollten mehr. Doch es sollte noch 13 Jahre dauern, bis sie ihren goldenen Botschafter auf dem Edelmetall-Weltmarkt bekamen. Die Tageszeitung „Die Presse“ berichtete anlässlich des 25. Geburtstags, dass der Graveur Thomas Pesendorfer gegen Ende des Jahres 1988 beauftragt wurde, im Wiener Musikverein in geheimer Mission musikalische Motive für eine neue Goldmünze zu recherchieren. Die geplante neue Goldmünze aus Österreich war damals noch streng geheim.
Für die Münze Österreich stellte das Jahr 1989 eine turbulente Wendezeit dar. Als „Hauptmünzamt“ war sie direkt dem Finanzministerium unterstellt. Das Münzamt hatte mit einer Silbermünzenserie gerade erst fast eine Milliarde Schilling in Umlauf gebracht. Weil aber nicht das Finanzministerium, sondern die Nationalbank über die Geldmenge wachen sollte, die in Umlauf gebracht wurde, wurde die Münze Österreich kurzerhand an die Nationalbank verkauft. So war die Einführung einer hochpreisigen Goldmünze leichter umsetzbar. Die neuen Entscheider holten sich von der Royal Canadian Mint Inspiration und bereiteten eine Goldmünze nach dem Vorbild der damaligen Marktführer „Maple Leaf“ und „Krügerrand“ vor.
Trotz der verdeckten Recherchen des weltweit renommierten Graveurs Thomas Pesendorfer im Wiener Musikverein war bis zuletzt nicht klar, dass die neue Goldmünze im Zeichen des berühmten Orchesters stehen würde. Als Alternativen wurde die Goldhaube als typische österreichische Tracht gehandelt, außerdem war das Benediktinerkloster Stift Melk als Wahrzeichen der Wachau bis zuletzt im Rennen. Schlussendlich ließen sich die Beteiligten jedoch von den Parallelen zwischen der Goldmünze und dem Orchester überzeugen: Genau wie die Wiener Philharmoniker sollte das neue Edelmetall-Produkt in den Weltmetropolen wie Tokio, New York, Paris und London zu Hause sein und rund um den Erdball als Aushängeschild der Alpenrepublik dienen.
Am 10. Oktober 1989 war es dann so weit: Der „Wiener Philharmoniker“ wurde erstmals im Handel angeboten. Was danach folgte, ist eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht: Bereits im Jahr 1990 wurde der „Phil2, wie er fortan liebevoll genannt wurde, die meistverkaufte Münze in Europa, in den Jahren 1992, 1995, 1996 und 2000 wurde sie vom World Gold Council sogar zur „meistgekauften Münze der Welt“ ernannt. Die Produktpalette musste bald erweitert werden; inzwischen sind neben der Unze und einer Viertelunze auch Varianten zu einer halben und einer Zehntelunze erhältlich. Im Jahr 2009 wurde eine Sonderprägung zu 20 Unzen und im Jahr 2014 zum 25-jährigen Jubiläum eine Mini-Münze zu 1/25 Unze hergestellt. Und ein starkes Zeichen für die Prägekunst der Münze Österreich ist bei pro aurum zu Hause: „Big Phil“, die 24-Karat-Münze, wurde 2004 in Wien herausgegeben und hat ein Gewicht von 31,103 Kilogramm, einen Durchmesser von 37 Zentimeter, eine Dicke von zwei Zentimetern und einen Nennwert von 100.000 Euro. Sie ist im Goldhaus von pro aurum in München und gelegentlich auch in anderen Lokationen als numismatischer Botschafter der Münze Österreich zu bestaunen.
Den Turbo legte das Geschäft mit den Goldmünzen spätestens im Jahr 1999 ein, als die Mehrwertsteuer auf Goldmünzen EU-weit abgeschafft wurde. Und mit der Jahrhundert-Hausse der Edelmetalle, die nach der Jahrtausendwende einsetzte, fand der Wiener Philharmoniker den Weg in (fast) jeden Gold-Tresor. Mit der Einführung des Euro wurde die Tradition der Goldmünze in Österreich nahtlos weitergeführt – das Design änderte sich nicht, lediglich der Nennwert wurde umgerechnet: Statt 2.000 Schilling hat ein „Phil“ nun einen Nennwert von 100 Euro.
Bis heute spielt der Wiener Philharmoniker die erste Geige im Konzert der Bullionmünzen: „Für uns waren die vergangenen Jahre ganz tolle Jahre. Im Jahr 2008, also dem Beginn der Wirtschaftskrise, sind die Umsätze plötzlich auf das Zehnfache angestiegen”, berichtet Mag. Gerhard Starsich, Generaldirektor der Münze Österreich, im Gespräch mit pro aurum tv. Die Münze Österreich setzt aktuell etwa eine Million Goldmünzen pro Jahr ab, seit der Markteinführung im Jahr 1989 sind etwa 18 Millionen Gold-Philharmoniker in der Welt unterwegs. Die Philharmoniker sind längst das wichtigste Produkt der Münze Österreich: Während die Bullion-Produkte einen Jahresumsatz von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr generieren, kommen die übrigen Produkte auf insgesamt 100 bis 200 Millionen Euro. Und es gibt keine Anzeichen, dass in Zukunft etwas daran ändern wird. Denn was die Wiener Philharmoniker in der Welt der Musik sind, ist der Wiener Philharmoniker inzwischen in der Welt der Münzen – ein weltweit bekanntes Ausnahme-Phänomen.