Wer in den Sechzigerjahren auf die kuriose Idee gekommen ist, sein Geld in physisches Gold zu stecken, konnte sich der erstaunten Blicke des Bankberaters sicher sein: An moderne Edelmetallhandelshäuser wie pro aurum war vor 50 Jahren nicht zu denken und ebenso wenig waren Bullion-Produkte etabliert – stattdessen musste der Kunde wochenlang darauf warten, bis ein Goldbarren bestellt, beschafft und in die Bankfiliale geliefert wurde. Oder er musste sich mit Nachprägungen von historischen Goldmünzen begnügen, die allesamt mit krummen Gramm-Werten die Übersichtlichkeit über das Gold-Portfolio erschwerten.
Inzwischen ist alles anders – und dafür ist nicht nur pro aurum als Pionier des modernen Edelmetallhandels verantwortlich, sondern auch eine Prägestätte in Südafrika: Die Rand Refinery wagte im Jahr 1967 mit dem „Krügerrand“ ein Experiment mit ungewissem Ausgang, welches sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelte: Mit einem Gewicht von einer Feinunze Gold wurde erstmals im Jahr 1967 eine Goldmünze für Anleger hergestellt. Die Motive – der südafrikanische Springbock sowie der frühere Präsident Paul Kruger – wurden in den Folgejahren nicht verändert. Und diese Kontinuität sowie die Preisgestaltung nah am aktuellen Edelmetallpreis hat dazu geführt, dass der Krügerrand in Gold inzwischen das Maß aller Dinge in der Welt der Edelmetalle ist.
Die Geburtsstätte des Krügerrand blickt jedoch auf eine noch längere Geschichte zurück und feiert demnächst ihren 100. Geburtstag: Gegründet wurde die Rand Refinery im August 1920 in Germiston. Zuvor wurde das südafrikanische Gold in London veredelt. Mit der Gründung der Rand Refinery sollte London seine Bedeutung als wichtigster Edelmetallhandelsplatz der Welt nicht einbüßen, aber der Transportaufwand sollte reduziert werden. So wurde die Rand Refinery aus Kapitalmitteln verschiedener südafrikanischer Minenbetreiber etabliert. Die Anlage liegt etwa 16 Kilometer von Johannesburg entfernt in der Stadt Germiston im Herzen des Goldminengebietes „Witwatersrand“ („ridge of the white waters“). Hundert Jahre später ist die Rand Refinery eine der größten Goldveredelungsbetriebe der Welt und kann mit Rekorden aufwarten, die ihresgleichen suchen: Bislang wurden nach eigenen Angaben etwa 50.000 Tonnen Gold verarbeitet, also etwa 30 Prozent der bisher weltweit gefundenen Goldvorkommen.
Die Erfolgsgeschichte der Rand Refinery ist eng mit der offiziellen Prägestätte Südafrikas verbunden: Während es sich bei der Rand Refinery um die bedeutendste Edelmetallaffinerie der Welt handelt, zeichnet die South African Mint für die Münzprägung des Landes verantwortlich. Streng genommen ist der Krügerrand zwar ein Produkt der Rand Refinery, doch der Auftrag zur Prägung kommt von der South African Mint. Daher müssen die Münzronden eigens per Helikopter von der Rand Refinery als dem eigentlichen Herstellungsort des Rohmaterials für die Münzen zur South African Mint geflogen; in Pretoria erfolgt anschließend die eigentliche Prägung in der staatlich autorisierten Prägestätte. Danach werden die fertigen Münzen ebenfalls per Helikopter nach Germiston zurückgeflogen, wo die Rand Refinery ihren Sitz hat und die Münzen in alle Welt vertreibt.
Die Verantwortlichen in der Rand Refinery legten im Jahr 1967 eine gehörige Portion Mut an den Tag, als sie den Krügerrand erstmals auf dem Markt präsentierten – das Umfeld war denkbar schlecht: Das sogenannte Bretton-Woods-System sorgte dafür, dass einheitliche Wechselkurse für die wichtigsten Handelswährungen auch einen festen Goldpreis diktierten. Am Preis von 35 US-Dollar gab es nichts zu rütteln – und dementsprechend interessierte sich auch kaum jemand für ein Investment in Gold. Dies änderte sich auch in den ersten Jahren der Krügerrand-Produktion nicht sofort: Die Auflagen blieben im niedrigen fünfstelligen Bereich und sind heute begehrte Sammlerstücke geworden.
Der Startschuss für die Erfolgsgeschichte des Krügerrand fiel erst mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems im Jahr 1973 – der Goldpreis wurde frei gehandelt, explodierte förmlich und mit ihm die Nachfrage nach Goldmünzen zu Anlagezwecken. So wurden in den Siebzigerjahren erstmals Millionenauflagen erreicht und der Krügerrand wurde zur ersten und im Laufe der Jahrzehnte auch beliebtesten Edelmetallanlagemünze. Erst Mitte der Achtzigerjahre begann der südafrikanische Gold-Motor zu stottern, als die weltweite Staatengemeinschaft die Apartheid-Politik Südafrikas mit massiven Warenembargos bestrafte. Daraufhin wurden bis 2006 Krügerrand-Goldmünzen lediglich im fünfstelligen Bereich hergestellt und andere Länder wie Kanada (Maple Leaf) oder Österreich (Wiener Philharmoniker) gewannen an Bedeutung.
Inzwischen ist die Rand Refinery jedoch wieder die unangefochtene Nummer eins auf dem Markt für Gold-Anlageprodukte; neben dem Krügerrand stellt sie auch hochwertige Goldbarren her – und in diesem Jahr soll der zweite Teil der Erfolgsgeschichte des Krügerrand geschrieben werden, denn bislang spielten die Südafrikaner auf dem Markt für Silberanlagemünzen noch keine Rolle. Dies könnte sich aber mit dem ersten Silber-Krügerrand, der als Bullion-Produkt geprägt wird, schlagartig ändern – denn die Strahlkraft des Krügerrand in Gold wird mit Sicherheit auch auf den kleinen Bruder aus Silber abfärben.
Bildrechte: Rand Refinery