Während sich das Abendland weiterhin auf seinen jahrhundertelangen Abstieg in starre Zentralisierung, allgegenwärtige Regulierung und monetäre Manipulation bewegt, erkennen mehr und mehr Bürger, vor allem Sparer und Anleger, dass ihre Eigentumsrechte, ihre Privatsphäre und ihre finanzielle Souveränität immer stärker eingeschränkt werden.
Erhebliche Regierungsgewalt und erhöhte Machtstellung über Wirtschaft und Märkte scheinen, trotz der giftigen Konsequenzen aus Geld- und Ordnungspolitik, die neue Norm zu sein.
Während der Weg in Richtung mehr Zentralisierung, vor allem in Europa, beschritten zu sein scheint, gibt es jedoch ein Land, das dem nach wie vor standhaft und grundsätzlich erfolgreich entgegensteht. Die Schweiz. Sie geht auf dem europäischen Kontinent seit Jahrhunderten ihren eigenen Weg.
Ein Blick zurück vor die Gründung des Bundesstaates 1848
Um die Gegenwart zu verstehen, muss man die Vergangenheit kennen. Der ehemalige Weltwoche-Chefredakteur Lorenz Stucki schilderte die Erfolgsbasis der Schweiz in seinem Buch „Das heimliche Imperium“, welches zur Zeit der destruktiven 68er-Revolution herauskam, wie folgt: „Die beiden Voraussetzungen, die sich immer wieder als entscheidend für die schweizerische Entwicklung erwiesen, waren gegeben: Freiheit und Not“.
Darin beschreibt er, warum die von Natur aus arme, ohnmächtige Schweiz ohne Kolonien und Bodenschätze zur größten Wohlstandsoase der Welt wurde.
Über Jahrhunderte trieb die Not die Schweizer in den fremden Söldnerdienst und zur Auswanderung, was die Basis für ein weltweites Netzwerk von Schweizern legte. Diese wendeten sich dem Handel zu und legten damit den Grundstein für ein internationales Netzwerk, das wesentlich zur fruchtbaren Entwicklung des Landes beitrug. Ende des 18. Jahrhunderts stand die Schweiz als das am stärksten industrialisierte Land des europäischen Kontinents nach England auf dem zweiten Rang. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es Niederlassungen von schweizerischen Handelshäusern in England, Russland, Norwegen, Italien, Spanien und weiteren Ländern. Schweizer Güter wurden u. a. nach Nord- und Südamerika, in die Levante, nach Persien, Indien, Hinterindien, die Inseln des Malaiischen Archipels und in die Philippinen exportiert und Rohstoffe von dort importiert.
Das Element der Freiheit zu Hause ermöglichte, dass einerseits Ausländer vor ihren Regimen in die Schweiz flüchteten und erfolgreich Industrien aufbauten und andererseits ermöglichte das Entstehen von neuen Industriezweigen, dass die alten, wettbewerbsverhindernden Beschränkungen der Zünfte unterwandert wurden und deren Macht reduziert wurde. Dies führte dazu, dass 1830 die Aufhebung des städtischen Gewerbemonopols umgesetzt wurde. Innerhalb wenigen Jahren hatte sich allein im Kanton Zürich danach die Anzahl von Seidenhandwebstühlen von 1.800 auf 12.000 beinahe versechsfacht. Die Industrialisierung erfolgte somit als Heimarbeit im Nebenberuf von Bauern. Damit schuf man die Basis für den erfolgreichen Aufbau der schweizerischen Maschinenindustrie, die zu Beginn ein Kind der Textilindustrie war. Im Jahr 1846 produzierte allein die Firma Escher Wyss mit 1.000 Arbeitern rund 5.570 Spinnmaschinen, von denen 4.794 exportiert wurden, 97 Werkzeugmaschinen (66 Export), 4.300 Tonnen an Wasserrädern, Triebwerken, Pumpen, Pressen, usw. (Export 3.000 Tonnen), 31 komplette Dampfschiffe (18 für das Ausland) und vieles andere wie Papiermaschinen, Fabrikdampfmaschinen und Turbinen. [1]
Das Beeindruckende an der Geschichte der Schweiz ist, dass es bis 1848 überhaupt keine Schweiz gab. In Amsterdam, Lissabon, New York oder Petersburg traten die Kaufleute als Basler, Toggenburger oder Zürcher auf. Keine Großfirma oder politische Macht stand hinter ihnen, die ihre ausländischen Partner in Zurückhaltung getrieben hätte. Die Schweiz bestand einzig aus einem lockeren Bund von Kantonen, die sich gemäß Lorenz Stucki „einerseits gegen jede Abtretung von Souveränitätsrechten an die gemeinsame Tagsatzung eifersüchtig wehrten, andererseits aber doch aus Rücksicht auf den Zusammenhalt des Bundes keine eigene diplomatische Aktivität entfalten wagten“. Nachdem der Bundesstaat ausgerufen wurde, dauerte es fast zwei Jahrzehnte, um eine erste Schweizer Gesandtschaft in Berlin zu situieren. Bezeichnend für die Schweiz ist eine Anekdote von 1882: Man wollte in Washington eine Gesandtschaft errichten. Die Regierung wollte dieser neuen Gesandtschaft 10.000 Franken für die Kosten der Kanzlei bezahlen. Nun kam es zum Referendum gegen den verschwenderischen Entscheid. Das Volk lehnte ab.
Die Schweiz unterhielt bereits damals über 85 ehrenamtliche Konsulate, die Hälfte davon in Übersee. Es waren sogenannte Honorarkonsule, die sich zur Verfügung stellten, aber keine Honorare empfingen. Die Welthändler und Auswanderer waren überall, die Politik nirgends.
Das Fehlen einer zentralen Macht ermöglichte somit in der Zeit zwischen der Französischen Revolution und dem Ersten Weltkrieg den Aufbau des schweizerischen Wirtschaftsimperiums bestehend aus, Textil- und Uhrenindustrie, Maschinenbau, Milchindustrie und Schokoladenfabrikation, der Luxushotellerie, sowie Chemieindustrie. Die Freiheit und die damit verbundene Eigenverantwortung führte zur Sparsamkeit der Schweizer und somit zur Bildung eines Kapitalüberschusses in wenigen Jahrzehnten mit anhaltender Investitionstätigkeit in sämtlichen Gebieten der Wirtschaft. Diese Sparmillionen erlaubten es dem Land insbesondere zwischen den Weltkriegen zu überleben. Man schätzt, dass im Jahre 1913 für etwa anderthalb Milliarden Franken schweizerische Wertschriften in ausländischem Besitz waren, allerdings viereinhalb Milliarden an fremden Wertpapieren Schweizern gehörten.
Auf solidem Fundament
Wie wir sehen, ist die Schweiz in der Tat eine Besonderheit unter ihren europäischen Nachbarn, weil sie aus dem Willen des Volkes entstand: basierend auf direkter Demokratie, soliden Eigentumsrechten und einer gemäßigten öffentlichen Hand, begründet auf den Prinzipien der Subsidiarität. Zusammengefasst steht Subsidiarität für eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Maxime, die Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und die Entfaltung der Fähigkeiten des Individuums, der Familie oder der Gemeinde anstrebt.
Die direkte Demokratie des Landes bedeutet ebenfalls, dass die Bürger selbst über wichtige politische Vorgänge und Vorschläge entscheiden können.
Die Wahlbevölkerung hat tatsächlich ein Vetorecht gegenüber vorgebrachten Bundesgesetzen: Verfassungsänderungen müssen seit je zwingend vors Volk und sollte das Parlament einen Beschluss fällen, mit welchem Teile des Stimmvolks nicht einverstanden sind, so kann dagegen das fakultative Referendum ergriffen werden, wobei binnen 100 Tagen 50.000 Unterschriften gesammelt werden müssen. In der Schweiz sind mehrere Referenden im Jahr nicht unüblich, da dieses Prinzip grundsätzlich auf allen drei Stufen zur Anwendung gelangt (auf nationaler, kantonaler und auf Gemeindestufe; einzig die Anzahl der notwendigen Unterschriften sinkt stufengerecht). Eine weitere Möglichkeit ist die Volksinitiative, welche erfordert, dass binnen 18 Monaten, 100.000 Unterschriften gesammelt werden müssen, damit das Anliegen dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden kann.
Volksabstimmungen sind der Grund, warum sich amtierende Parteien gerne dazu entschieden haben, die Opposition in Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen: Wenn man keinen Konsens finden will, dann kann die Opposition immer eine Volksabstimmung organisieren. Die Konsequenzen daraus haben immer offenen Dialog erfordert, lebhafte und freie Debatten geschaffen und eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Ideen und Werten ermöglicht.
Die Effekte dieser Offenheit gegenüber konträren Ideen und mehr Toleranz gegenüber alternativen Sichtweisen kann man anhand der Wahlbeteiligung sehen, die in starkem Kontrast zur politischen Entwicklung der Nachbarländer steht.
Wenn Volksinitiativen für einen sechswöchigen Urlaub abgehalten oder wenn zu Abstimmungen gerufen werden, die sich für weniger Arbeitszeit einsetzen oder sich mit dem Mindesteinkommen auseinandersetzen, haben die Schweizer immer wieder den Rest des Westens, vor allem Europa, mit ihren Entscheidungen überrascht.
Allein im letzten Jahr erlitt der Vorschlag über das universelle Grundeinkommen – eine gewagte gesellschaftspolitische und alternative Sozialleistung – eine böse Niederlage und das, obwohl die Idee in den letzten Jahren global immer stärkere politische Unterstützung genoss.
[1] Lorenz Stucki, Das heimliche Imperium, S. 87, Scherz, 1968
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