Garantiezins niedriger, Beitragsgarantie beschränkt – „garantierter Tabubruch“ bei der Lebensversicherung
Die Deutschen müssen sich im Nullzins-Zeitalter von vielen lieb gewonnenen Weisheiten verabschieden. Dass die Rente nicht mehr sicher ist, weiß seit dem gleichnamigen Slogan aus dem Jahr 1986 des damaligen Arbeitsministers Norbert Blüm wohl jedes Kind. Ein Bollwerk der deutschen Altersvorsorge hat dennoch bislang gehalten: Die Lebensversicherung galt als letzter sicherer Hafen für Sparer. Doch auch diese Gewissheit gehört der Vergangenheit an, seitdem ein großer Versicherungskonzern angekündigt hat, künftig nicht mehr die volle Rückzahlung der eingezahlten Beträge zu garantieren. Je nach Risikoneigung sollen nur noch 60 bis 90 Prozent abgesichert sein.
Für Anleger, die auf langfristige Stabilität bedacht waren, ist die Lebensversicherung schon seit langer Zeit keine gute Idee mehr: Mit einem staatlichen Garantiezins von nur noch 0,9 Prozent haben die Policen in Zeiten, in denen die Inflationsrate über diesem Prozentsatz lag, real sogar an Wert verloren. Und es könnte noch schlimmer kommen: „Wir werden im Dezember einen neuen Vorschlag für den Höchstrechnungszins ab 2022 unterbreiten“, hat Guido Bader, Vorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung und Vorstand der Stuttgarter Versicherung, im „Handelsblatt“ (https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/interview-lebensversicherungsexperte-der-garantiezins-muss-auf-0-5-prozent-sinken-vielleicht-sogar-noch-tiefer/26290240.html) angekündigt. Er ist der festen Überzeugung, dass der Garantiezins mindestens auf 0,5 Prozent oder sogar noch tiefer sinken sollte. Der Prozentsatz gilt als Obergrenze, welche Versicherungen ihren Kunden fest zusagen dürfen.
Im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ machte Guido Bader deutlich, dass künftig viele Anbieter dem Beispiel des Allianz-Konzerns folgen und die Beitragsgarantie von 100 Prozent kippen würden. Er wies darauf hin, dass eine solche Garantie nicht mehr zeitgemäß sei. Auf die Kritik des Bundes der Versicherten, der von einer Bankrotterklärung der Versicherungskonzerne sprach, reagierte Bader zurückhaltend: „Wir kommen an den Realitäten leider nicht vorbei“, stellte er klar und erinnerte an die Renditen deutscher Staatsanleihen, bei denen inzwischen auch eine negative Verzinsung eingetreten ist. Er bekräftigte, dass die Ära der klassischen Policen beendet sei.
Die Reaktionen der Fachpresse auf die neuesten Entwicklungen bei den Lebensversicherungen fallen deutlich aus: Von einem „garantierten Tabubruch“ spricht der „Effecten-Spiegel“ und kommentiert die Ankündigung der Allianz, wonach weniger Garantie künftig die Aussicht auf mehr Leistung bedeute, kritisch. Die Zeitschrift weist darauf hin, dass glücklicherweise für bestehende Verträge sich nur wenig ändere. Allerdings weisen die Finanzjournalisten darauf hin, dass noch im Jahr 2020 die ersten Pensionskassen in die Insolvenz gehen könnten und 2021 die ersten Lebensversicherer folgen dürften.
Nach Einschätzung des „Effecten-Spiegel“ werden die Versicherungskonzerne wegen der Zinsflaute künftig noch mehr Geld der Versicherten in Risikopapiere stecken. Es fließt also noch mehr Liquidität in die Aktienmärkte, sodass die ohnehin schon sportlich bewerteten Papiere noch weiter in die Höhe gedrückt werden. Ob dies eine langfristig gesunde Entwicklung ist, darf jedoch bezweifelt werden. Künftig seien die Käufer von Lebensversicherungen somit vom Geschick des Portfoliomanagers abhängig. Die Finanzjournalisten empfehlen, dass Anleger künftig nicht mehr in klassische Versicherungspapiere einzahlen, sondern ihre Altersvorsorge selbst in die Hand nehmen. Wenn ein Investment in Aktien unumgänglich sei, könne dies auch mithilfe von Investmentfonds und börsengehandelten Indexfonds (ETFs) sichergestellt werden.
Bildrechte: ©iStockphoto/scyther5, Harryarts / Freepik