von Robert Hartmann, Mit-Gründer von pro aurum
Man kann es drehen und wenden, wie man will. Der Goldpreis leidet in diesem Jahr vor allem unter diversen Entwicklungen in den USA. Das Vertrauen in den Dollar scheint trotz der zahlreichen Krisenherde und der Unberechenbarkeit von US-Präsident Trump grenzenlos zu sein. Verkaufsdruck ist im ETF-Sektor, an den Terminmärkten sowie im physischen Münzhandel auszumachen. Ich persönlich habe den Eindruck, dass es sich dabei weniger um solides Vertrauen in eine Währung, sondern eher um ein hohes Maß an Sorglosigkeit handelt.
Rückblick: erneuter Fehlstart plus Jahrestief
Wie in den vergangenen fünf Jahren startete der Goldpreis wieder einmal recht fulminant und vielversprechend ins neue Jahr. Nachdem der Krisenschutz von Januar bis April aber mehrfach an der im Bereich zwischen 1.350 und 1.360 Dollar angesiedelten Widerstandszone gescheitert war, setzte ein regelrechter Ausverkauf ein. Dieser bescherte der Alternativwährung bis Mitte August ein Jahrestief von 1.160 Dollar (im asiatischen Handel) und war von mehreren charttechnischen Verkaufssignalen und dem Unterschreiten der psychologisch wichtigen Marke von 1.200 Dollar begleitet worden. Im Bereich von 1.200 Dollar versuchte sich der Goldpreis danach an einer Bodenbildung – Ausgang offen. Vor allem der starke Dollar hat Gold in die Knie gezwungen und eine stark negative Korrelation beider Anlageklassen angezeigt. Dass gerade diejenigen Währungen abwerten, deren Notenbanken oder Bevölkerung in den vergangenen Jahren verstärkt als Goldkäufer aufgetreten sind, verwundert doch sehr. Das kann natürlich Zufall sein – auffällig ist das allemal.
Hauptverursacher der Baisse: USA
Als Hauptverursacher für die schlechte Entwicklung des Goldpreises kann man vor allem ein Land ausmachen: die USA. Deren Wirtschaft entwickelt sich einfach „zu gut“. Mit einem Anstieg in Richtung drei Prozent fallen die Nominalrenditen (ohne Inflation) zehnjähriger US-Staatsanleihen „zu hoch“ aus. Dies alles hat den Dollar „zu stark“ gemacht. Nur zur Erinnerung: Seit Ende 2015 hat die US-Notenbank Fed die Leitzinsen bereits achtmal nach oben geschraubt, während die Europäische Zentralbank für Ende dieses Jahres lediglich das Auslaufen des milliardenschweren Anleihekaufprogramms angekündigt hat. Angesichts dieser Entwicklung sollten sich Anleger nicht zu sehr wundern, dass der Greenback derzeit gefragter ist als die im Januar 2002 als Bargeld eingeführte Gemeinschaftswährung Euro, zumal Sorgen um den italienischen Staatshaushalt und den anstehenden Brexit nicht gerade Jubelstimmung verbreiten. Hohe Nominalzinsen und attraktive Dividendenrenditen galten aber aufgrund der daraus resultierenden Opportunitätskosten (Zinsverzicht) schon immer als nachteilhaft für Goldinvestments. Daran hat sich auch in diesem Jahr offensichtlich nichts geändert. Dies alles und die aufkommende Schwellenländerkrise haben dazu geführt, dass Anleger mit ihrem Kapital lieber den sicheren Hafen Dollar als den traditionellen Heimathafen verunsicherter Investoren ansteuern, nämlich Gold.
Massive Kapitalabflüsse im ETF-Sektor
Seit vielen Jahren spielt die physische Goldnachfrage hinsichtlich der Preisentwicklung des Edelmetalls eine eher untergeordnete Rolle. Einen wachsenden Einfluss wird hingegen dem Papiergold nachgesagt, welches vor allem an den Terminmärkten via Futures und Optionen sowie im Bereich von physisch besicherten Gold-ETFs gehandelt wird. Eine besonders interessante Entwicklung ließ sich in diesem Jahr im ETF-Sektor beobachten. Gemäß Daten des World Gold Council hat sich in den ersten acht Monaten 2018 die in diesen Finanzprodukten weltweit gehaltene Goldmenge um 18,5 Tonnen auf 2.352,8 Tonnen reduziert. Vor allem Gold-ETFs aus Nordamerika (1.179,4 Tonnen) und Europa (1.048,1 Tonnen) weisen hohe Bestände auf, während Asien (92,0 Tonnen) eher als kleiner Player gilt. Deutlich aussagekräftiger werden die Daten beim Blick auf die einzelnen Regionen. Dabei fallen nämlich vor allem die enormen Abflüsse in Nordamerika auf. Diese belaufen sich für die Monate Januar bis August auf 64,5 Tonnen, während in Europa und Asien beträchtliche Zuflüsse in Höhe von 47,9 bzw. 7,2 Tonnen zu Buche schlugen. Dies lässt meiner Meinung nach vor allem einen Schluss zu: Der Verzicht auf den Vermögensschutz Gold und die damit einhergehende Sorglosigkeit scheinen unter nordamerikanischen Investoren besonders stark ausgeprägt zu sein. Anleger aus Europa und Asien scheinen diesbezüglich eher risikoaverser bzw. vorsichtiger zu agieren. Für sie macht angesichts geopolitischer Spannungen, schwelender Handelskonflikte, hoher Schulden und Geldmengen sowie einer anziehenden Inflation der Kauf von Gold als Krisen-, Vermögens- und Inflationsschutz – allen Unkenrufen zum Trotz – weiterhin Sinn.
Massiver Ausverkauf an den Terminmärkten
Einmal pro Woche informiert die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission über die aktuelle Stimmung der diversen Marktakteure an den Terminmärkten. Ein massiver Verkaufsdruck war in diesem Jahr vor allem unter großen Terminspekulanten (Non-Commercials) auszumachen. Nachdem sie Ende Januar noch eine Netto-Long-Position (Optimismus überwiegt) von über 214.000 Kontrakte ausgewiesen hatten, war Ende September eine Netto-Short-Position (Pessimismus) von über 17.000 Futures registriert worden. Im Zuge dieses Stimmungswechsels kletterte an der Terminbörse Commodity Exchange deren Short Exposure zeitweise sogar auf den höchsten Stand seit Aufzeichnung der Daten.
Doch irgendwann müssen die leerverkauften Goldmengen wieder eingedeckt werden. In diesem Zusammenhang sprechen Marktbeobachter von einem sogenannten Short Squeeze. Das heißt: Short positionierte Pessimisten werden aufgrund eines unerwarteten Goldpreisanstiegs zur Begrenzung von Kursverlusten aus dem Markt „gequetscht“. Spätestens dann ist mit einer signifikanten Erholung der Gold- und Silberpreise zu rechnen. Wann dieser Prozess in Gang gesetzt wird, lässt sich natürlich nur schwer prognostizieren. Aufgrund der ungewöhnlich kräftigen Verkaufswelle könnte der Rebound nach oben aber sehr heftig ausfallen.
Notenbanken beeinflussen Gold stark
Unter den weltweit wichtigsten Notenbanken ist bislang lediglich die US-Notenbank Fed dank robuster wirtschaftlicher Rahmendaten auf einen relativ restriktiven geldpolitischen Kurs umgeschwenkt; schließlich hat sie seit Ende 2015 die Leitzinsen immerhin von 0,13 auf 2,13 Prozent erhöht. In Europa verharren die Leitzinsen seit März 2016 hingegen bei null Prozent. Und weil dies nicht die gewünschte Stabilisierung eingebracht hat, wurden noch Negativzinsen für EZB-Einlagen und ein Anleihekaufprogramm beschlossen, das die EZB-Bilanz mittlerweile auf 4,6 Billionen Euro aufgebläht hat. Nun darf man gespannt sein, ob dieses geldpolitische Experiment ohne bleibende Schäden verdaut werden kann. Ich habe da meine Zweifel, schließlich sind die Vorräte an geldpolitischer Munition mittlerweile erheblich dezimiert worden. Für Gold sprechen derzeit aber auch die Realzinsen, also die Nominalrenditen abzüglich der aktuellen Inflationsrate. In den USA verharren diese nahe null und in Europa sogar deutlich unter null Prozent. Dies müsste eigentlich ein idealer Nährboden für steigende Edelmetallpreise sein.
Dass Notenbanken von dem gelben Edelmetall offensichtlich ziemlich viel halten, lässt sich einerseits an der Tatsache ablesen, dass derzeit sieben Notenbanken (USA, Deutschland, Italien, Frankreich, Russland, China und Schweiz) Goldbestände von mehr als 1.000 Tonnen halten. Außerdem fallen vor allem Notenbanken aus Schwellenländern dadurch auf, dass sie ihre Goldreserven mitunter massiv aufstocken. So hat zum Beispiel allein die russische Zentralbank ihre gehaltene Goldmenge seit der Lehman-Pleite von 520 auf über 1.900 Tonnen vervielfacht. Auch in China, Indien, Argentinien und der Türkei haben die Notenbanker verstärkt auf die altbewährte Krisenwährung Gold gesetzt. Die polnische Zentralbank hat zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder eine größere Menge Gold gekauft. Dies berichtete Bloomberg kürzlich unter Berufung auf die Daten des Internationalen Währungsfonds. Dies lässt sich auch als Misstrauensvotum gegenüber der Weltleitwährung Dollar interpretieren.
Schwellenländerproblematik: künftige Nachfrage gefährdet
Apropos Schwellenländer – deren Goldappetit gilt traditionell als besonders stark ausgeprägt. Bevölkerungsreiche Staaten wie China und Indien gelten seit Jahren als die goldhungrigsten Länder der Welt. Verglichen mit Nordamerika und Europa präferieren deren Bürger allerdings physisches Gold in Form von Schmuck, Münzen und Barren. In Schwellenländern ist die künftige Nachfrage derzeit zwei potenziellen Risiken ausgesetzt. Erstens: Sollte das Wachstum der Wirtschaft – und damit auch das Vermögen der Mittelschicht – im Falle eines globalen Handelskriegs leiden, könnte dies deren Goldnachfrage bremsen. Zweitens: Eine schwache Landeswährung könnte den Goldpreis erheblich verteuern und dadurch das Kaufinteresse dämpfen. Seit dem Jahreswechsel hat sich der Goldpreis in Landeswährung vor allem in Venezuela, Argentinien, Südafrika, Türkei, Brasilien und Russland teilweise deutlich verteuert. Trotz oder wegen dieser Risikofaktoren dürfte das dortige Interesse an Gold auf lange Sicht aber kaum zum Erliegen kommen.
2018 wird für Edelmetallhändler kein Rekordjahr
Das Jahr 2018 wird für uns Edelmetallhändler höchstwahrscheinlich kein Rekordjahr, falls im vierten Quartal keine außergewöhnlichen Dinge mehr passieren sollten. In den ersten drei Monaten des Jahres haben wir oberhalb der Marke von 1.100 Euro pro Feinunze Gold immer wieder größeres Verkaufsinteresse gesehen. Dies könnte meiner Meinung nach wieder passieren, sobald sich der Goldpreis signifikant erholt. Viele Anleger sind angesichts der seit sieben Jahren anhaltenden Korrektur des Goldpreises entmutigt und entnervt. In die nächste Preiserholung zu verkaufen, könnte sich aber als großer Fehler erweisen. Börse ist nun mal zu 90 Prozent Psychologie und die Dinge wiederholen sich immer wieder.
Gold bleibt für mich ein absolutes „Must-have“-Investment
Laut der diesjährigen Forsa-Umfrage stufen deutsche Anleger Gold auf Sicht von drei Jahren nach wie als die Anlage mit der besten Renditechance ein – in der Masse sind sie aber dennoch eher unterinvestiert. Da sollte uns noch viel Arbeit ins Haus stehen. Ich gehe davon aus, dass wir für den Rest des Jahres 2018 eine anhaltende Bodenbildung beim Goldpreis erleben werden, sowohl auf Dollarbasis als auch in Euro gerechnet. Mittlerweile dauert die Korrektur seit den Höchstständen 2011 bereits mehr als sieben Jahre. Irgendwann muss sie zu Ende gehen. Das Sentiment gegenüber Edelmetallen kann aktuell einfach nur als „lausig“ bezeichnet, vor allem in den USA. Das Nennen kurzfristiger Kursziele überlassen wir – ehrlich gesagt – lieber den unzähligen Analysten. Immer mehr dieser Experten prognostizieren einen fallenden Goldpreis für die nächsten Monaten bzw. Jahre. Das alleine stimmt mich schon wieder positiv.
Mein Fazit: Wer nicht mindestens zehn bis 15 Prozent des Vermögens auf Gold und Silber aufteilt, der fährt sinnbildlich Auto ohne Versicherung. Kommt es künftig nicht zu weiteren Krisen, dürfte der Goldpreis weiter an Wert verlieren – so weit so gut bzw. schlecht. Dann werden sich aber die anderen 85 bis 90 Prozent des Portfolios weiterhin erfreulich entwickeln. Kommt es an den Finanzmärkten aber zu einem schweren Unfall oder Crash werden die beiden Edelmetalle einen Teil des Verlustes der anderen Anlageklassen kompensieren. Davon bin ich überzeugt.
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