Goldreport 10/21: Marke von 1.800 Dollar heiß umkämpft
Obwohl der Dollarindex im Oktober den höchsten Stand seit 20 Monaten markiert hat und die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen innerhalb eines Monats von 1,49 auf in der Spitze 1,7 Prozent p.a. geklettert sind, verteuerte sich der Goldpreis im Oktober bislang um 2,5 Prozent (Stand: 28. Oktober).
Heiße Diskussionen um Inflation und Stagflation
Die Prognosen der Notenbankchefs von EZB und Fed, dass sich die hohe Inflation als temporäres Phänomen erweisen wird, haben sich bislang nicht bewahrheitet. So wurde zum Beispiel für die USA mit 5,4 Prozent p.a. für den Monat September die höchste Inflationsrate seit 13 Jahren gemeldet. In Deutschland stellte sich mit 4,5 Prozent p.a. (Oktober) sogar der höchste Wert seit fast 28 Jahren ein. Die Chancen auf eine baldige Beruhigung an der Preisfront sind im Oktober tendenziell eher gesunken als gestiegen. Dadurch hat der altbewährte Inflationsschutz zuletzt offensichtlich wieder an Anziehungskraft gewonnen, insbesondere an den Terminmärkten. Laut aktuellem Commitments of Traders-Report der US-Aufsichtsbehörde CFTC hat sich nämlich seit Ende September die Netto-Long-Position (mehrheitlich optimistisch gestimmt) großer Terminspekulanten (Non-Commercials) von 168.400 auf 193.350 Futures (+14,8 Prozent) deutlich erhöht. Nur zur Erinnerung: Ende Dezember waren diese besonders spekulativen Marktakteure noch mit fast 269.000 Kontrakten netto long und somit deutlich optimistischer gestimmt. Dies eröffnet weiterhin erhebliches Nachholpotenzial. Sollte der Optimismus der Terminmarktprofis anhalten, dürfte dies dem Goldpreis in deutlich höhere Regionen verhelfen.
Sorgen bereitet Geldanlegern aber nicht nur die historisch hohe Inflation, sondern vor allem die mittlerweile erheblich eingetrübten Konjunkturperspektiven. Geringes Wirtschaftswachstum, in Kombination mit einer relativ hohen Inflation, wird von Volkswirten als Stagflation bezeichnet. Corona-bedingt gibt es nach wie vor in einigen Branchen massive Produktionsprobleme, weil aufgrund der starken Nachfrage Rohstoffe und Bauteile knapp wurden und Lieferketten nicht mehr zuverlässig funktionieren. Weil Privathaushalte in diesem Jahr deutlich mehr für Strom, Benzin, Erdgas, Heizöl sowie Lebensmittel bezahlen müssen, könnte der Konsum anderer Güter darunter leiden. So hat sich im dritten Quartal zum Beispiel in den USA das BIP-Wachstum gegenüber dem Vorquartal bereits von 6,7 auf zwei Prozent verlangsamt.
Der World Gold Council (WGC) hat sich in einer Analyse über mehrere Seiten mit diesem Risiko der Stagflation intensiv auseinandergesetzt und potenzielle Folgen für den Goldpreis vorgestellt. Lange Rede, kurzer Sinn: In den zahlreichen Stagflationsphasen der Vergangenheit hat sich der Krisenschutz Gold in der Regel ausgesprochen positiv entwickelt, während Aktienmärkte aufgrund des geringen Wachstums eher gelitten haben. Nach Ansicht der WGC-Analysten wird von entscheidender Bedeutung jedoch sein, ob wir eine „milde“ oder eine „ernste“ Stagflation erleben werden.
Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, ist gespannt, wie sich die Inflationsraten weltweit entwickeln werden. Die Notenbanken würden zwar davon ausgehen, dass die Teuerungsraten in wenigen Monaten wieder sinken werden, für ihn sei dies aber noch keine ausgemachte Sache. In einigen Medienberichten sei dieser Tage zu hören gewesen, dass viele Menschen aktuell Käufe und Investitionen vorziehen, weil sie sich vor einer dauerhaften Entwertung ihrer Ersparnisse fürchten. Falls dies stimmt, müsste die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigen. Edelmetallexperte Hartmann sagt: „Hält die Ausgabefreudigkeit der Menschen an, würde dies sicherlich zu einer hartnäckigeren Inflation führen, die höher ausfällt und länger andauert als sich dies die Währungshüter aktuell vorstellen können.“
Zum Rücktritt von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann
Im Oktober gab es aber noch eine andere wichtige Nachricht von erheblicher Tragweite: Obwohl der Vertrag von Bundesbank-Präsident Jens Weidmann noch bis ins Jahr 2027 datiert war, bat er „aus persönlichen Gründen“ um seine Entlassung. Damit folgt er seinen beiden Vorgängern Jürgen Stark und Axel Weber, die ihren Vertrag ebenfalls vorzeitig aufgelöst haben. Die Deutsche Bundesbank hat in den vergangenen Jahrzehnten ein hohes Maß an Reputation erlangt und galt insbesondere in der deutschen Bevölkerung als hoch angesehene und vertrauenswürdige Institution. Der Rücktritt hinterlässt einen „faden Beigeschmack“, weil damit der wohl wichtigste Verfechter einer stabilitätsorientierten Geldpolitik aus dem EZB-Rat ausscheidet.
In seinem Abschiedsbrief an die Bundesbank-Mitarbeiter gab es einige Hinweise, warum Weidmann die Lust auf den Posten verloren haben dürfte. Für ihn war es zum Beispiel wichtig, „dass die klare, stabilitätsorientierte Stimme der Bundesbank deutlich hörbar bleibt.“ Nach dem Regierungswechsel besteht nun eine realistische Gefahr, dass der von der SPD-geführten Regierung bestimmte Nachfolger, möglicherweise weniger diskutieren und mahnen könnte als dies Weidmann seit seiner Ernennung im Jahr 2011 getan hat. Außerdem empfahl Weidmann in seinem Abschiedsbrief, „nicht einseitig auf Deflationsrisiken zu schauen, sondern auch perspektivische Inflationsgefahren nicht aus dem Blick zu verlieren.“ Zugleich gab er der Geldpolitik den Rat, ihr enges Mandat zu achten, damit sie „nicht ins Schlepptau der Fiskalpolitik oder der Finanzmärkte“ gerät.
Den politisch Verantwortlichen in den weniger solide finanzierten Mitgliedsstaaten dürfte der Weggang Weidmanns gut ins Konzept passen, schließlich verdanken sie der ultralockeren Geldpolitik der EZB die künstlich reduzierten (bzw. nach unten manipulierten) Finanzierungskosten zum ungehemmten Schuldenmachen. Für deutsche Steuerzahler könnte der Abgang von Jens Weidmann auf lange Sicht aber richtig teuer werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Inflationsgefahren sowie die negativen Realzinsen besonders hervorzuheben. Um zu guter Letzt dem Amtsverzicht doch noch etwas Gutes abzugewinnen, lässt sich festhalten, dass sich dadurch die Perspektiven des Goldpreises eher aufgehellt als eingetrübt haben dürften.
Robert Hartmann erklärte, dass für ihn der Rücktritt von Jens Weidmann nicht überrascht hat und sagt: „Er war im EZB-Rat stets einer der wenigen Mahner und hat sich anfangs extern und später nur noch intern gegen die ultralockere Geldpolitik der EZB gestemmt. Letztendlich konnte er in den vergangenen Jahren die vielen Programme der Notenbank zum Aufkauf von Staatsanleihen dennoch nicht verhindern.“ Als klassischer Vertreter einer harten Währung und einer berechenbaren Zinspolitik, die weder Gläubiger noch Schuldner überfordert, sei er letztendlich an der Mehrheit in den EZB-Gremien gescheitert. So gesehen sei sein Rücktritt logisch und folgerichtig.
Oktober: Notenbanken in Kauflaune
Robert Hartmann gibt hinsichtlich der diesjährigen Entwicklung des Goldpreises zu bedenken, dass der bei Gold-ETFs zu beobachtende Exodus zum einen durch die global sehr starke physische Nachfrage nach Münzen und Barren konterkariert worden sei. Zum anderen haben aber auch einige Zentralbanken in den vergangenen Wochen bei der „Krisenwährung par excellence“ verstärkt zugegriffen und größere Mengen Gold gekauft. Allein die Käufe der Zentralbanken von Thailand, Japan, Ungarn und Brasilien addierten sich im zweiten Quartal 2021 auf über 250 Tonnen. Außerdem hat vor wenigen Wochen die Zentralbank Russlands verkündet, dass man nach längerer Abstinenz wieder als Käufer auf dem Goldmarkt aufgetreten sei.
Unter ETF-Investoren wurde hingegen viel Gold abgezogen, um in den haussierenden Märkten der Kryptowährungen und Aktien dabei zu sein. Edelmetallexperte Hartmann zieht folgendes Fazit und sagt: „Unter taktischen Aspekten mag dies klug sein – aus strategischer Sicht bin ich aber eher auf der Seite der Notenbanken.“ Dies trifft offensichtlich auch auf die Kunden von pro aurum zu. Laut Hartmann entwickelte sich bei pro aurum der Edelmetallhandel im Oktober unverändert gut – ohne die Vertriebskapazität zu überfordern. Im „Crash-Monat Oktober“ kam auf neun Käufer lediglich ein Verkäufer.
Drei Fragen an die Privatkunden von pro aurum
An der Edelmetall-Stimmungsumfrage von pro aurum haben sich im Oktober 1.572 Personen (September: 1.650) beteiligt. Mehr als die Hälfte der Befragten gaben an, kaufwillig zu sein. Ihr Anteil erhöhte sich gegenüber dem Vormonat von 45,1 auf 52,7 Prozent recht deutlich. Bei der Quote der abwartenden Anleger war im Berichtszeitraum ein signifikanter Rückgang von 49,6 auf 42,4 Prozent registriert worden, während Verkäufer nach wie vor als Minderheit anzusehen sind. Hier stellte sich nämlich auf Monatssicht ein leichtes Minus von 5,3 auf 4,9 Prozent ein.
Hinsichtlich der Bewertung der aktuellen Edelmetallpreise war im Oktober eine nachlassende Zuversicht auszumachen. Nachdem im Monat zuvor noch 70,1 Prozent der Umfrageteilnehmer von einer Unterbewertung überzeugt waren, rutschte ihr Anteil nun auf 65,5 Prozent ab. Dass Edelmetalle mittlerweile fair bewertet seien, meinen 23,2 Prozent der Befragten (September: 20,6 Prozent). Leicht zugenommen hat auch der Anteil derer, die Edelmetalle gegenwärtig als überbewertet einstufen. Ihr Anteil kletterte von 9,3 auf 11,3 Prozent.
Bei der Einschätzung der weiteren Preisentwicklung der Edelmetalle im kommenden Quartal nahm der Optimismus deutlich zu. Fast die Hälfte der Befragten (49,1 Prozent) erwarten nämlich steigende Edelmetallpreise, nachdem ihr Anteil im September bei lediglich 36,3 Prozent lag. Seitwärts tendierende Preise prognostizieren aktuell 41,1 Prozent der Anleger (Vormonat: 42,2 Prozent), während bei der Zahl der Pessimisten gegenüber dem Vormonat ein markanter Rückgang von 21,5 Prozent auf 9,8 Prozent zu verzeichnen war.
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