Jahresausblick Weißmetalle: Positive Perspektiven bei Platin
Weißmetalle wie Silber, Platin und Palladium gelten aufgrund ihrer Nutzung in diversen Industrien als konjunktursensitiv. Während sich die industrielle Silbernachfrage als „stark diversifiziert“ bezeichnen lässt, hängt das Wohl und Wehe von Platin & Palladium besonders stark von der Konjunktur ab.
Strategiewechsel in der US-Geldpolitik?
Bei Edelmetallen wie Gold, Silber, Platin und Palladium spielt die Geldpolitik der Notenbanken aus mehreren Gründen eine relativ wichtige Rolle. Zum einen führen nämlich steigende Zinsen zu höheren Opportunitätskosten, weil Edelmetallbesitzer auf Zinsen grundsätzlich verzichten müssen. Zum anderen erhöht eine restriktive Geldpolitik die Rezessionsgefahr, was sich häufig negativ auf die Schmucknachfrage sowie die industrielle Nachfrage bei Silber, Platin und Palladium auswirkt. Angesichts der Tatsache, dass die US-Notenbank Fed im Jahr 2022 die Leitzinsen um insgesamt 425 Basispunkte erhöht hat, um der deutlich gestiegenen Inflation Einhalt zu gebieten, dürfte in den kommenden zwölf Monaten mit Blick auf die künftigen Leitzinsen eine deutlich „ruhigere Gangart“ wahrscheinlich sein. Dies lässt sich sehr gut am FedWatch-Tool des Börsenbetreibers CME Group ablesen. Dieses zeigt derzeit nämlich eine Wahrscheinlichkeit von 47 Prozent an, dass wir bis Ende nächsten Jahres bei den Fed Funds lediglich Anhebungen zwischen 25 bis 50 Basispunkte sehen werden.
Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass Anleger bei Investments in Silber, Platin und Palladium – wie in den Jahren zuvor – ein ausgesprochen robustes Nervenkostüm benötigen werden. Dies trifft vor allem auf Palladium zu, das mit einer historischen 250-Tage-Volatilität in Höhe von 63 Prozent die Vergleichswerte von Silber (35 Prozent) und Platin (39 Prozent) deutlich übertrifft. Zurückzuführen ist diese deutlich erhöhte Volatilität einerseits auf die zahlreichen besonders stark ausgeprägten Risikofaktoren fundamentaler Art und andererseits auf die geringere Liquidität des Palladiummarktes. Nur zum Vergleich: Palladium-Futures repräsentieren auf Basis aktueller Marktdaten aktuell ein Volumen von 1,3 Milliarden Dollar. Bei Silber- bzw. Gold-Futures wird dieser Wert um den Faktor 11,3 bzw. 59 übertroffen. Zudem besteht bei Platin und Palladium ein erhöhtes Länderrisiko, da ein großer Teil des globalen Angebots aus lediglich zwei Ländern stammt: Russland und Südafrika. Beide gelten aus den unterschiedlichsten Gründen als wenig stabil und zuverlässig.
Eingetrübte Perspektiven bei Palladium
Vor allem Palladium kommt überwiegend in einer Branche zum Einsatz, die seit Längerem durch ein hohes Maß an Unsicherheit bzw. Verunsicherung gekennzeichnet ist – nämlich der Automobilbranche. Diese ist gegenwärtig drei Risikofaktoren ausgesetzt. Erstens: Die wirtschaftliche Schwächephase dürfte der Nachfrage bei Neufahrzeugen nicht gerade zuträglich sein, zumal in unsicheren Zeiten vor allem der Kauf neuer Autos häufig zurückgestellt wird. Zweitens: Die Zukunft von mit Benzin bzw. Diesel betriebenen Fahrzeugen sieht angesichts des fortschreitenden Klimawandels relativ trübe aus, schließlich kommen sowohl Platin als auch Palladium vor allem bei der Produktion von Abgaskatalysatoren zum Einsatz. Drittens: Da Palladium teurer ist als Platin, droht ihm eine verstärkte Substitution durch das erheblich preisgünstigere Edelmetall.
Ungeachtet dessen wirkt sich die konjunkturelle Entwicklung auch auf die Schmucknachfrage aus. In Zeiten sich eintrübender Perspektiven und stark steigender Lebenshaltungskosten, dürfte die Bereitschaft bzw. die finanzielle Leistungskraft in Statussymbole wie Schmuck oder Autos zu investieren, tendenziell nachlassen. Das World Platinum Investment Council (WPIC) veröffentlichte am 22. November eine interessante Prognose zur Entwicklung der Platinnachfrage im kommenden Jahr. Diese soll nämlich von 6,50 Millionen auf 7,77 Millionen Feinunzen (+19,5 Prozent) ansteigen, während beim globalen Angebot ein deutlich geringerer Zuwachs von 7,31 Millionen auf 7,47 Millionen Unzen (+2,2 Prozent) zu erwarten ist. Nach einem Überschuss in Höhe von 804.000 Feinunzen (2022) wird im nächsten Jahr mit einem Defizit von 303.000 Unzen gerechnet. Normalerweise gilt ein solches Szenario als gutes Umfeld für einen steigenden Platinpreis, wenngleich die anhaltende Unsicherheit hinsichtlich Russland-Sanktionen, Konjunktur, Zinsen und Investmentnachfrage weiterhin als potenzielle Belastungsfaktoren fungieren und Prognoseunsicherheit erheblich erhöhen dürften.
So sehen die Prognosen von Heraeus aus
Die Analysten von Heraeus, einem weltweit renommierten Hersteller und Händler von Edelmetallbarren, halten im kommenden Jahr im Falle eines steigenden Silberpreises eine Rückkehr der ETF-Anleger für möglich. Mit Blick auf die Elektro- und Elektronikindustrie rechnen sie mit einer leicht wachsenden Silbernachfrage. Deutlich besser sehen die Perspektiven im Photovoltaiksektor aus. Nach einer rekordhohen Nachfrage in diesem Jahr gehen die Heraeus-Experten davon aus, dass die Nachfrage in diesem wichtigen Marktsegment „weiterhin stark wachsen“ wird und führen dies u.a. auf die attraktivere Politik der Europäischen Kommission gegenüber Solaranlagen zurück. In der Schmuckbranche wird hingegen mit einer rückläufigen Nachfrage gerechnet, weil in Indien – dem wichtigsten Abnehmerland in diesem Bereich – eine Beruhigung der Nachfrage prognostiziert wird. Für den Silberpreis prognostizieren sie für 2023 eine Preisspanne zwischen 17 bis 25 Dollar pro Feinunze.
Bei Palladium rechnen die Analysten von Heraeus für das Jahr 2023 mit einer leicht rückläufigen Nachfrage in der Autoindustrie, während bei Platin ein markanter Zuwachs um 14 Prozent auf 3,3 Millionen Feinunzen erwartet wird. Für die beiden Schwestermetalle Platin und Palladium rechnen die Heraeus-Experten für das nächste Jahr mit einer Tradingrange von 800 bis 1.150 bzw. 1.300 bis 2.250 Dollar.
Robert Hartmann, Mitgründer von pro aurum, hält in der gegenwärtigen Marktlage Platin gegenüber den anderen Edelmetallen nach wie vor für unterbewertet. Er konstatiert: „Es hat mich überrascht, dass Platin bislang nicht stärker aufgeholt hat. Deshalb sehe ich große Chancen für die nächsten zwei bis vier Jahre.“ Sein Credo lautet daher: „Platin ist im Vergleich zu den anderen Edelmetallen – historisch betrachtet – einfach zu billig.“ Daneben stuft er aber auch die Perspektiven von Silber als aussichtsreich ein und sagt: „Mittlerweile hat der Markt wohl erkannt bzw. beginnt zu erkennen, dass Silber an den Börsen aktuell deutlich zu günstig gehandelt wird.“ Was Palladium angeht, übt er sich jedoch weiter in Zurückhaltung. Kurse über 2.500 Dollar seien für ihn im langfristigen Kontext eher ambitioniert.
Interessante Prognosen bezüglich der weiteren Entwicklung der Preise von Silber, Platin und Palladium findet man übrigens auf der US-Website TradingEconomics, die aktuelle und historische Daten sowie Prognosen für mehr als 20 Millionen Konjunkturindikatoren, Devisen, Aktienmarktindizes, Anleiherenditen und Rohstoffpreise liefert. Auf Basis globaler makroökonomischer Modelle und Analystenerwartungen verfügt Platin mit 1.124 Dollar pro Feinunze auf Sicht von zwölf Monaten über ein Aufwärtspotenzial in Höhe von 8,7 Prozent. Ähnlich attraktiv sehen die Perspektiven von Silber aus, das mit großem Abstand günstigste Edelmetall. Ende 2023 soll dieses auf 26,08 Dollar (+8,3 Prozent) ansteigen. Ausgesprochen trübe sehen hingegen die Kursaussichten von Palladium aus, dessen prognostiziertes Kursziel bei 1.475 Dollar liegt und somit sein aktuelles Niveau um 17 Prozent unterschreitet.
Übrigens: Wer Weißmetalle über das Schweizer Zollfreilager von pro aurum kauft und diese Bestände auch dort belässt, muss keine Mehrwertsteuer bezahlen und kann dadurch eine deutlich höhere Renditechance wahrnehmen.
Bildquelle: pro aurum
Fotograf: Bernd Schuller