Platin und Palladium werden häufig als Schwestermetalle bezeichnet. Beide Edelmetalle werden zwar vor allem zum Bau von Autokatalysatoren benötigt, seit dem VW-Abgasskandal im Herbst 2015 entwickelten sie sich mit Blick auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bzw. den Chart aber alles andere als einträchtig – und das aus gutem Grund.
Völlig konträre Reaktion auf VW-Abgasskandal
Seit dem Bekanntwerden, dass VW in seinen Diesel-Fahrzeugen im großen Stil Abschalteinrichtungen zum Umgehen gesetzlicher Abgasvorschriften eingesetzt hatte, verbilligte sich Platin von 900 auf 841 Dollar, während bei Palladium im selben Zeitraum ein Preisanstieg von 700 auf 1.087 Dollar registriert worden war. Die Ursache für die gegensätzliche Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Platin vorwiegend in Diesel-Katalysatoren und Palladium in Benzin-Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Die heftige Diskussion hinsichtlich der negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung hat die Absatzperspektiven von Dieselfahrzeugen empfindlich getrübt und die Platinnachfrage regelrecht einbrechen lassen. Dadurch ist bei Platin ein Angebotsüberschuss entstanden, der sich in der Regel negativ auf die Preisentwicklung des Edelmetalls auswirkt.
Das Platin-/Palladium-Ratio seit 1980:
Bei Palladium entwickelte sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage völlig anders. Hier ist derzeit nämlich ein Angebotsdefizit zu beobachten, weil die Palladiumnachfrage höher ausfällt als das verfügbare Angebot – die Konsequenz: steigende Preise. In den vergangenen Jahren boomte der Autoverkauf vor allem in China und den USA, wo traditionell eher Benzinfahrzeuge gefragt sind. Der seit einigen Monaten schwelende Handelskonflikt zwischen den USA und anderen wichtigen Wirtschaftsregionen wie China oder Europa hat sich bislang kaum negativ bemerkbar gemacht. Grundsätzlich kann man sowohl Platin als auch Palladium als überdurchschnittlich volatil bezeichnen. So schwankte Platin in den vergangenen zehn Jahren zwischen 800 und 1.900 Dollar, während bei Palladium im selben deutlich heftigere Kursausschläge zwischen 160 und 1.100 Dollar registriert wurden.
HSBC-Analysten setzen auf Palladium
Die Analysten von HSBC haben Ende September das aktuelle Marktumfeld und die daraus resultierenden Perspektiven von Platin und Palladium intensiv untersucht und kommen zu dem Schluss, dass sich Palladium auch in Zukunft besser entwickeln wird als Platin. Deshalb haben sie ihre Prognosen hinsichtlich des Durchschnittspreises von Platin nach unten revidiert und die Prognosen für Palladium erhöht (siehe Tabelle).
Bei Platin sehen die Analysten mehrere Problemfelder. Zum einen schwächt sich die chinesische Schmucknachfrage leicht ab und auch der Bedarf aus der Autobranche kann als relativ lustlos bezeichnet werden. Zugleich erhöht sich das Angebot an Platin durch verstärktes Recycling von Alt-Fahrzeugen, während die Nachfrage im ETF-Sektor ebenfalls eine fallende Tendenz aufweist. Dies alles stellt keinen gesunden Datenmix für das Edelmetall Platin dar. Deshalb gehen die HSBC-Analysten davon aus, dass in diesem Jahr das Angebot an Platin die Nachfrage um 490.000 Feinunzen übertreffen wird. Zur Erinnerung: Im Jahr zuvor lag der Angebotsüberschuss bei lediglich 101.000 Feinunzen. Für 2019 wird ein Wert von 319.000 Feinunzen prognostiziert. Bei einem Marktvolumen von insgesamt sechs Millionen Feinunzen bezeichnen die Analysten die Werte zwar als relativ klein, dennoch wirkt sich die Aussicht auf anhaltende Überschüsse negativ auf den Platinpreis aus.
HSBC-Prognosen der Durchschnittspreise von Platin und Palladium | ||||||||
2018: | 2019: | 2020: | Langfristig (5 Jahre): | |||||
bisher | neu | bisher | neu | bisher | neu | bisher | neu | |
Platin (Dollar/Feinunze) |
950 |
880 | 1.095 | 995 | 1.250 | 1.150 | 1.290 | 1.290 |
Palladium (Dollar/Feinunze) | 1.009 | 1.009 | 1.050 | 1.105 | 1.060 | 1.135 | 1.140 | 1.140 |
Quelle: HSBC Global Research |
Bei Palladium stellt sich die aktuelle Marktlage völlig anders dar. Ihm attestieren die Experten ein langanhaltendes strukturelles Angebotsdefizit. Das heißt: Die Nachfrage fällt höher als das Angebot aus. Dessen Größe könne zwar von Jahr zu Jahr schwanken, die Wahrscheinlichkeit für ein Angebotsüberschuss in absehbarer Zukunft stuft man jedoch als gering ein. Konkret rechnen die HSBC-Analysten für dieses Jahr mit einer Reduktion des Defizits von 801.000 Feinunzen (2017) auf 350.000 Feinunzen. Im kommenden Jahr soll sich dieses aber wieder auf 937.000 Unzen stark erhöhen. Weil dieser Wert – verglichen mit einem Gesamtmarktvolumen von sieben Millionen Feinunzen – relativ hoch ausfällt, sollte sich dies positiv auf den Palladiumpreis auswirken.
ETF-Abflüsse bei Platin und Palladium
Das Jahr 2018 war gekennzeichnet von erheblichen Abflüssen bei Platin (geschätzt: 130.000 Feinunzen) und Palladium (geschätzt: 400.000 Feinunzen). Zur Erinnerung: In der Spitze verzeichnete das Edelmetall Platin im Jahr 2013 noch Zuflüsse in Höhe von über einer Million Feinunzen und Palladium einen Höchstwert von über 900.000 Unzen. Für das kommende Jahr sollen sich laut HSBC die Abflüsse bei Platin auf 50.000 Feinunzen und bei Palladium auf 125.000 Feinunzen beruhigen.
Grundsätzlich sollten Anleger bei der Analyse von Platin und Palladium aber nicht außer Acht lassen, dass die Abhängigkeit vom Automarkt bei Palladium um ein Vielfaches stärker ausgeprägt ist. Auf Basis der Daten von HSBC landet in diesem Jahr rund 30 Prozent des Platinangebots in Katalysatoren, während diese Quote bei Platin mit über 88 Prozent erheblich höher ausfällt. Wer – aus welchen Gründen auch immer – einen Einbruch der globalen Autokonjunktur für möglich hält, sollte statt der beiden Schwestermetalle möglicherweise eher ein Auge auf Gold und dessen „kleinen Bruder Silber“ werfen.
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