Silber: Konditionsschwäche nach starkem Rebound
Silber legte 2017 zwar einen fulminanten Jahresstart hin, der Wertzuwachs von in der Spitze 13 Prozent löste sich aber bis Mai wieder komplett in Luft auf. Was bleibt, ist ein hohes Maß an Spannung.
Silber: Viertes Jahr in Folge mit Angebotsdefizit
In Zusammenarbeit mit der auf Edelmetallresearch spezialisierten GFMS Thomson Reuters hat das Silberinstitut in seinem Jahresbericht „World Silver Survey 2017“ für das abgelaufene Jahr 2016 ein Defizit von 644 Tonnen ausgewiesen. Das heißt: Um diese Menge übertraf die Nachfrage das Angebot. Normalerweise wäre dies ein gutes Umfeld für steigende Silberpreise. Diese vermeintliche Gesetzmäßigkeit hat in den vergangenen vier Jahren aber keineswegs gegriffen. Von 2013 bis 2015 schwankten die Defizite zwischen 4.290 und 2.103 Tonnen. Im selben Zeitraum sank der durchschnittliche Silberpreis von 23,79 Dollar (2013) auf 19,08 Dollar (2014). 2015 fiel der Durchschnittswert sogar auf 15,68 Dollar, um im vergangenen Jahr wieder auf 17,14 Dollar zu klettern. Dies stellte den ersten Anstieg seit 2011 dar.
Diese positive Entwicklung führten die Analysten von GFMS vor allem auf den ETF-Sektor zurück. Weil diverse Krisenherde wie zum Beispiel Syrien, Nordkorea, Ukraine, Südchinesisches Meer, Irak usw. die geopolitische Unsicherheit verstärkt und damit das Interesse am Krisenschutz Silber stimuliert haben, floss ziemlich viel Kapital in physisch hinterlegte Silber-ETFs. 2016 beliefen sich deren Kapitalzuflüsse auf 1.461 Tonnen. Dies stellte den höchsten Wert seit 2012 dar und führte zu einem neuen Allzeithoch bei deren Silberbeständen. Noch kräftiger haben sich übrigens die Lagerbestände an den Börsen entwickelt. Nach plus 392 Tonnen im Vorjahr war 2016 ein besonders extremer Anstieg auf 2.482 Tonnen registriert worden.
Dies sollte aber auf keinen Fall darüber hinwegtäuschen, dass an den wichtigsten Terminmärkten bei Silber-Futures relativ wenig physisches Silber für etwaige Lieferansprüche hinterlegt wird. Nur ein Beispiel: Im Mai 2017 belief sich die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) an der Commodity Exchange (Comex) zeitweise auf über 200.000 Futures. Da sich ein Kontrakt auf 5.000 Feinunzen Silber bezieht, entspräche dies – zumindest auf dem Papier – einem „Silberberg“ von etwa einer Milliarde Feinunzen. Zur selben Zeit belief sich die Zahl der an der Comex registrierten Silberbarren auf über 33 Millionen Feinunzen Silber, was einer Quote von mageren 3,3 Prozent entsprach. Fazit: Ein wirksamer Krisenschutz über Futures dürfte, falls die Finanzsysteme zusammenbrechen sollten, eher nicht funktionieren.
Negative Vorzeichen in der Industrie
Per Saldo reduzierte sich die Silbernachfrage 2016 um 10,7 Prozent von 35.816 auf 31.968 Tonnen. Nicht ganz so deutlich ging es bei der industriellen Nachfrage bergab, wo insgesamt ein Rückgang von 17.718 auf 17.478 Tonnen (–1,4 Prozent) zu Buche schlug. In dem mit großem Abstand wichtigsten Industriesektor Elektrik & Elektronik reduzierte sich die Nachfrage von 7.648 auf 7.266 Tonnen (–5,0 Prozent). Ein prozentual noch kräftigeres Minus war im Bereich der Metallveredelung (Lötzinn & Legierungen) registriert worden. Hier sank der Bedarf im Vergleich zum Vorjahr von 1.912 auf 1.722 Tonnen (–9,9 Prozent). Eine Branche verzeichnete aber entgegen dem allgemeinen Trend signifikantes Wachstum: die Photovoltaik. Hier kletterte nämlich die Nachfrage von 1.779 auf 2.382 Tonnen (+33,9 Prozent) und markierte damit ein neues Rekordniveau. Auch bei der Produktion von Ethylenoxid (Desinfektion) war mit unverändert 317 Tonnen das Allzeithoch des Vorjahres erfolgreich verteidigt worden.
Viel Silber wird traditionell in der Schmuckbranche, im Barren- und Münzhandel sowie bei der Silberwarenproduktion benötigt. Im vergangenen Jahr repräsentierten diese Bereiche mit 14.490 Tonnen 45,3 Prozent der Gesamtnachfrage. Im Vergleich zu 2015 gab es aber unisono dicke Minuszeichen zu vermelden. Ein regelrechter Nachfrageeinbruch war bei Barren & Münzen zu beobachten, wo auf Jahressicht ein massiver Rückgang von 9.042 auf 6.431 Tonnen (–28,9 Prozent) zu beklagen war. Bei Schmuck sank das Nachfrageinteresse von 7.100 auf 6.438 Tonnen (–9,3 Prozent), während bei Silberwaren ein Minus von 1.956 auf 1.621 Tonnen (–17,2 Prozent) zu Buche schlug.
Analysten erwarten höhere Silberpreise
Laut einer Datenerhebung der Nachrichtenagentur Bloomberg sind die Analysten für die kommenden Jahre hinsichtlich Silber mehrheitlich optimistisch gestimmt. So reichen zum Beispiel die von Bloomberg erfassten Prognosen zum durchschnittlichen Silberpreis für das Jahr 2018 von 14,07 Dollar (Natixis SA) bis 32,48 Dollar (Incrementum AG) und ergeben im Durchschnitt einen Wert von 18,78 Dollar pro Feinunze. Aktuell pendelt das mit großem Abstand günstigste Edelmetall unterhalb von 17 Dollar (Stand: Mai 2017). Dieser Erwartungswert der Analysten erhöht sich für 2019 auf 20,32 Dollar und für 2020 sogar auf 21,84 Dollar. Dass diesen Prognosen allerdings ein besonders hohes Maß an Unsicherheit anhaftet, lässt sich an der außerordentlich weiten Spanne der Schätzungen ablesen. So reichen die prognostizierten Kursziele für 2019 von 15,96 bis 38,40 Dollar und für 2010 sogar von 16,00 bis 50,00 Dollar, wobei die Höchstwerte allesamt von der Liechtensteiner Vermögensverwaltung Incrementum AG stammen.
Silber galt schon immer „wilder“ als sein „großer Bruder Gold“. Dies lässt sich an kurz- wie langfristigen historischen Volatilitäten, aber auch an von Profis konzipierten Volatilitätsindizes ablesen. Der Terminbörsenbetreiber Chicago Board Options Exchange (CBOE) hat zum Beispiel die CBOE-Volatilitätsindexfamilie entwickelt und berechnet diese fortlaufend. Diese basieren auf den Optionspreisen diverser Rohstoff-ETFs. Normalerweise übertrifft der CBOE-Volatilitätsindex auf Silber sein entsprechendes Pendant auf Gold recht deutlich. Anleger, die trotz des erhöhten Risikos eines Silberinvestments beide Krisenwährungen im Portfolio haben möchten, bietet sich eine unterschiedliche Gewichtung der Edelmetalle an: zum Beispiel 80 Prozent Gold und 20 Prozent Silber.