Silber: mehr als zweite Wahl beim Krisenschutz
Silber rückt bei der Diskussion um substanzhaltige alternative Krisenwährungen aus den unterschiedlichsten Gründen häufig etwas ins Abseits – zu Unrecht, wie wir meinen. Regelmäßig genannte Nachteile wie die relativ hohen Kursschwankungen oder die Mehrwertsteuerpflicht bei physischem Silber können von cleveren Anlegern durchaus kompensiert werden.
Silber: im doppelten Sinne günstig
Hin und wieder wird Silber etwas despektierlich auch als „Gold des armen Mannes“ bezeichnet. Während sich die Preise für Gold, Platin und Palladium im drei- bzw. vierstelligen Dollarbereich bewegen, lag der 200-Tage-Durchschnittspreis von Silber im Mai 2017 bei lediglich 18 Dollar. Somit gilt Silber als das mit großem Abstand günstigste der vier Edelmetalle, was sich im Grunde genommen jeder leisten kann. Der Preisvorteil entsteht vor allem dadurch, dass Gold erheblich seltener vorkommt als Silber. Während im Jahr 2016 Silberminen insgesamt 27.551 Tonnen Silber aus dem Boden geholt haben, kamen Goldminen auf lediglich 3.222 Tonnen Gold. Auch in Relation zu Gold kann Silber als besonders günstig betrachtet werden. Die Gold-Silber-Ratio bringt diesen Sachverhalt besonders gut zum Ausdruck. Die Kennzahl zeigt nämlich an, wie viel Feinunzen Silber zum Kauf von einer Feinunze Gold benötigt werden. Bei der Interpretation der Gold-Silber-Ratio ergeben sich aber zwei Probleme: Sollte beispielsweise Gold stärker zurückfallen als Silber, würde die Ratio zwar sinken, das Anlageergebnis bei Silber würde dennoch negative Vorzeichen ausweisen und damit unbefriedigend ausfallen. Zweites Problem: Wann die Kennzahl ihren Höchstwert und gleichzeitigen Wendepunkt erreicht hat, lässt sich nur schwer prognostizieren.
Robert Hartmann, Gründer und Geschäftsführer von pro aurum, weist aber darauf hin, dass das historische Mittel der Gold-Silber-Ratio – je nach Betrachtungszeitraum – zwischen 45 und 55 liegt. Im Mai 2017 brauchte man rund 73 Unzen Silber, um eine Unze Gold zu kaufen. Deshalb sagt Hartmann: „So gesehen ist Silber – im Verhältnis zu Gold – derzeit günstig. Für Anleger, die generell an die Anlageklasse Edelmetalle glauben, könnte es eine gute Entscheidung sein, jetzt beherzt bei Silber einzusteigen.“ Das gelte aber nur für Investoren, die die hohe Volatilität des Silbers nervlich durchstehen können. Außerdem sollten Silberkäufer einen Anlagehorizont von mindestens fünf bis sieben Jahre mitbringen, merkt Edelmetallexperte Hartmann an. Wer zudem die Mehrwertsteuerpflicht physischer Silberinvestments vermeiden möchte, sollte den Kauf über ein sogenanntes Zollfreilager erwägen. pro aurum unterhält eines in der Schweiz.
Turbulenzen an den Terminmärkten
Seit Jahrzehnten hängt der Silberpreis in hohem Maße von der Stimmung an den Terminmärkten ab. Als wichtigste Terminbörse für Silber-Futures gilt die Commodity Exchange. Ein Silber-Future bewegt – zumindest auf dem Papier – den Gegenwert von 5.000 Feinunzen Silber. Im Mai 2017 lag die Anzahl offener Kontrakte (Open Interest) zeitweise über 200.000, woraus sich ein Marktvolumen von einer Milliarde Feinunzen ableiten lässt. Der starke Einfluss der Terminmärkte kommt aber auch über die relativ hohen Tagesumsätze zustande. Allein im Wonnemonat wurden in der Spitze mehr als 130.000 Silber-Futures pro Tag umgesetzt, was einer Silbermenge von 20.215 Tonnen entspricht. Zum Vergleich: 2016 förderten die Silberminenunternehmen pro Kalendertag weltweit lediglich etwas mehr als 75 Tonnen Silber zutage. Damit dürften die unterschiedlichen Kräfteverhältnisse zwischen physischem und Terminhandel offensichtlich sein.
Einmal pro Woche informiert die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC), wie sich die Stimmungen unter den verschiedenen Markakteuren verändert haben. Mit Argusaugen werden dabei stets die Transaktionen großer Terminspekulanten (Non-Commercials) verfolgt, da diese in der Regel mit besonders hohen Summen auf das Auf und Ab des Silberpreises wetten und ihr Handeln ausschließlich unter spekulativen Aspekten erfolgt. Seit dem Jahreswechsel 2016/17 gab es unter den Großspekulanten enorme Stimmungsschwankungen zu beobachten. Optimismus liegt vor, wenn mehr Futures gekauft (long) als verkauft (short) werden. In diesem Fall wird von einer Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) gesprochen. Bei einer Netto-Short-Position sind die Marktakteure hingegen mehrheitlich pessimistisch gestimmt.
Heftige Stimmungsschwankungen waren 2017 unter großen Terminspekulanten auszumachen, schließlich zog deren Netto-Long-Position seit Ende Dezember von 58.900 Futures bis Mitte April bis auf 105.500 Kontrakte an. Danach ging der Optimismus in einen rasanten Sinkflug über und halbierte sich bis zum 23. Mai auf 51.200 Futures. Dies ging am Silberpreis nicht spurlos vorüber und führte im Mai zu einem Jahrestief bei knapp 16 Dollar. Ohnehin gilt Silber als erheblich „wilder“ als sein großer Bruder Gold. Besonders gut lässt sich dies an der Risikokennzahl Volatilität ablesen. Grundsätzlich wird in der Finanzwelt zwischen zwei verschiedenen Arten von Volatilität unterschieden: der historischen und der erwarteten. Während die erstgenannte Variante rein vergangenheitsorientiert auf Basis einer bestimmten Anzahl historischer Silberpreise ermittelt wird, basiert eine erwartete Volatilität in der Regel auf Optionspreisen und zeigt dadurch das vom Markt erwartete und „bezahlte“ Schwankungsrisiko an.
Die US-Terminbörse CBOE ermittelt für diverse Aktienindizes, Rohstoffe sowie die Edelmetalle Gold und Silber aus entsprechenden ETF-Optionen fortlaufend speziell konzipierte Volatilitätsindizes, mit denen sich die Risiken von Investments besser vergleichen lassen. Fazit: Silber war mit Blick auf dessen Volatilität in der Vergangenheit – unabhängig von der Berechnungsmethode – stets riskanter als Gold. Wer dennoch beide Edelmetalle als Vermögensschutz einsetzen möchte, kann diesen Nachteil durch eine stärkere Gewichtung von Gold kompensieren. So könnte nach Ansicht von Robert Hartmann zum Beispiel die Edelmetallkomponente eines Portfolios zu 80 Prozent aus Gold und zu 20 Prozent aus Silber bestehen und dadurch das wilde Silber zumindest etwas zähmen.