Anleger versuchen die immer komplizierter werdende Finanzwelt mit einfachen Regeln wie zum Beispiel „Sell in May and go away“ oder „Kaufe das Gerücht, verkaufe die Tatsache“ zu erklären und danach zu handeln. Bei der Beurteilung des Goldpreises greifen Investoren auch gerne auf konkrete Korrelationen zurück. So wird zum Beispiel dem Dollar und Gold eine negative Korrelation nachgesagt. Das heißt: Steigt (fällt) der Dollar, fällt (steigt) der Goldpreis. Auch diese vermeintliche Regel sollte zwar gekannt, auf keinen Fall aber überbewertet werden.
Seit dem Jahreswechsel haben dies vor allem Argentinier, Inder, Südafrikaner, Türken, Venezolaner und andere Bewohner von Schwellenländern mit schwacher Währung erfahren müssen. Auf Dollarbasis hat sich der Goldpreis bis Mitte Oktober zwar um über fünf Prozent verbilligt; weil einige Währungen im selben Zeitraum aber um ein Vielfaches höhere Verluste erlitten hatten, ist für sie das Edelmetall mitunter deutlich teurer geworden. Für uns Europäer gab es hingegen kein Währungsdebakel, sondern lediglich eine leichte Kursschwäche zu beobachten. Dadurch hat sich der Goldverlust in Euro gerechnet in etwa halbiert. Damit dürfte klar sein, dass eine markante Dollarstärke für Goldbesitzer nicht per se schlecht sein muss.
Beschränkte Gültigkeit im vergangenen Jahrzehnt
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die negative Korrelation zwischen Gold und Dollar nicht immer als zutreffend erwiesen. So hat sich zum Beispiel der Dollarindex, der den Greenback mit sechs anderen wichtigen Währungen vergleicht, von Frühjahr 2009 bis Ende 2009 um mehr als 18 Prozent verteuert. Dies hätte den Goldpreis eigentlich schwächen müssen. Doch abgesehen von temporären Korrekturphasen hat sich das gelbe Edelmetall – ungeachtet der vermeintlichen Gesetzmäßigkeit – innerhalb dieses Zeitraums um 200 Dollar bzw. 20 Prozent verteuert. Das heißt: Der starke Dollar hat dem Goldpreis auf keinen Fall geschadet, ganz im Gegenteil. Zu dieser Zeit herrschte nämlich eine große Unsicherheit, ob die globalen Finanzsysteme die damaligen Verwerfungen an den Finanzmärkten überstehen werden. Dadurch haben Investoren dem starken Dollar absolut keine Bedeutung beigemessen und andere Faktoren erheblich stärker beachtet. Damals hatten Anleger offensichtlich zwei Fluchtwährungen verstärkt angesteuert: Dollar und Gold.
Grafik: Grün überwiegt deutlich: Gold gewinnt also gegen die meisten Währungen…
Natürlich gab es aber auch immer wieder Marktphasen, in denen ein starker Dollar mit einem fallenden Goldpreis einherging. Eine besonders beeindruckende Kursrally in Höhe von 25 Prozent vollzog der Dollarindex beispielsweise von Mitte 2014 bis Frühjahr 2015. Beim Goldpreis schlug sich dies in einem Verlust von fast 15 Prozent nieder. Dabei stellte sich aber die folgende Frage: War der starke Dollar für die Goldpreisschwäche verantwortlich oder nur ein Begleitumstand? Fakt ist, dass die Fed im Oktober 2014 ihr drittes Programm zur quantitativen Lockerung (QE 3) beendet und zudem die Europäische Zentralbank für den Zeitraum März 2015 bis September 2016 aus Angst vor einer Deflation monatliche Anleihekäufe im Volumen von 60 Milliarden Euro angekündigt hat. Diese Liquiditätsflut führte zu einer „Verflüchtigung der Krisenangst“ und hat somit die Fluchtwährung Gold ins Hintertreffen geraten lassen. Gefragt waren vor allem andere Anlageklassen wie Anleihen, Aktien und Immobilien.
Auch das Jahr 2018 war von einem starken Dollar bei zugleich relativ schwachem Goldpreis gekennzeichnet. Diesmal waren hierfür zum einen die deutlich gestiegenen Zinsen in den USA verantwortlich, wo für zehnjährige Staatsanleihen mittlerweile wieder Renditen von über drei Prozent erzielt werden. Zum anderen profitierte der Dollar aber auch von der relativen Stärke der US-Wirtschaft. Dies alles hat vor allem in den USA zu einer kräftigen Verkaufswelle bei Gold geführt, welche sich besonders deutlich im ETF-Sektor und an den Terminmärkten bemerkbar gemacht hat. Dass steigende Zinsen für hochverschuldete Staaten höhere Finanzierungskosten und möglicherweise Probleme bei der Refinanzierung nach sich ziehen können, wird derzeit eher ausgeblendet. Selbiges trifft auch auf die angesichts der internationalen Handelskonflikte und des drohenden Brexit wachsende Gefahr eines nachlassenden globalen Wirtschaftswachstums zu. Ob der Dollar das aktuelle Vertrauen verdient oder nicht, werden wir wohl erst in Zukunft erfahren. Verantwortungsvollen Investoren bietet sich an, der gegenwärtig zu beobachtenden Sorglosigkeit hinsichtlich der Noch-Weltleitwährung Dollar eine substanzhaltige Alternative entgegenzusetzen: zum Beispiel Gold und/oder Silber.
Interpretation der negativen Korrelation
Anleger sollten die vermeintlich negative Korrelation zwischen Dollar und Gold zwar kennen, auf keinen Fall aber überbewerten. Das Auf und Ab an den Währungsmärkten sollte vielmehr als „ganz normales Marktrauschen“ wahrgenommen werden. Weder der Dollar und schon gar nicht der Euro noch der Bitcoin können mit der Historie von Gold und dessen Funktion als Wertaufbewahrungsmittel mithalten. Die Gefahr eines Totalverlustes besteht vor allem bei traditionellen und digitalen Währungen, denn schließlich basiert deren Gegenwert ausschließlich auf dem Vertrauen, es bei Bedarf in Waren und Dienstleistungen zu tauschen. Dass diese Tauschfunktion ziemlich unzufrieden machen kann, haben in diesem Jahr vor allem die Bürger der Türkei erfahren müssen, wo die Inflation (besser: Geldentwertung) mit fast 25 Prozent auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren geklettert ist.
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