Vor rund 3 ½ Jahren wurde ich zu einem Podiumsgespräch eingeladen, welches die Vollgeld-Initianten damals organisierten. Dieses fand einige Wochen vor der Abstimmung zur Goldinitiative in der Schweiz statt. Ich wurde damals angefragt, ob ich Lukas Reimann zusammen mit Luzi Stamm (beide gehörten zu den Hauptinitianten der Goldinitiative), in dieser Diskussionsrunde vertreten könne. Der Hauptgrund war, dass Lukas wusste, dass Gold für mich die härteste Währung der Geschichte ist und ich somit meine Gedanken aus monetärer Sicht einbringen könnte.
In der Zwischenzeit wurde die Goldinitiative von den Bürgern abgelehnt und nun steht die schweizerische Bevölkerung erneut vor einer weiteren Abstimmung, ob Sie das aktuelle Zentralbankensystem verändern will oder nicht.
Damals wie auch heute, war aus meiner Sicht der wichtigste Punkt, dass sowohl die Gold- als auch die Vollgeld-Initiative klare Zeichen sind, dass Teile der schweizerischen Bevölkerung unzufrieden sind mit dem heutigen Geldsystem, und deshalb nach neuen Ansätzen und Lösungen suchen. Grundsätzlich ist es eine sinnvolle Sache, dass wir hier in der Schweiz über unterschiedliche Geldsysteme diskutieren. Die Zeit somit nutzen, die Mechanismen und Schwerpunkte dahinter zu besprechen, mit dem Ziel, diese besser zu verstehen.
Um was geht es nun bei der Vollgeldinitiative?
Die Initianten wollen gemäß eigenen Aussagen „das heutige Geldsystem grundlegend verändern“. Es handle sich um einen radikalen Vorschlag, der die Banken in der Schweiz sicherer machen soll. In der Folge könnten Finanzkrisen verhindert und das Geld von Bankkunden besser geschützt werden, so das Initiativekomitee.
Über das Volksbegehren, das hauptsächlich die private Kreditschöpfung durch das Bankensystem (Teilreservesystem) unterbinden würde, soll die Schweizer Bevölkerung also am 10. Juni abstimmen. Sollte die Initiative angenommen werden, würde in der Verfassung verankert, dass alles Geld durch die Schweizer Nationalbank geschaffen werden muss. Dies bezeichnen die Initianten als „Vollgeldsystem“. Geschäftsbanken dürften dagegen kein Buchgeld (Forderung auf Bargeld) mehr schaffen. Sie müssten Kredite stattdessen durch Spareinlagen oder SNB-Darlehen zu 100% decken. Damit würde den Geschäftsbanken das Privileg, Geld aus dem Nichts zu schöpfen, entzogen und in den Händen der Schweizerischen Nationalbank zentralisiert. Die Geldmenge würde somit zu 100% von der SNB gesteuert.
Ein weiteres Schlagwort der Initianten ist es, dass die Nationalbank Schweizer Franken „schuldfrei“ in Umlauf bringt. Die Idee dahinter ist, dass auf einen Stichtag hin alles Buchgeld in Vollgeld umgewandelt wird. Damit würden Verbindlichkeiten der Banken gegenüber der Nationalbank in der gleichen Höhe begründet und diese Schulden müssten in einem bestimmten Zeitraum abgegolten werden. Diese Kredittilgung würde es der Nationalbank erlauben, entsprechend viel neues Geld zukünftig schuldenfrei an Bund, Kantone und Bevölkerung auszuzahlen. So zumindest interpretiere ich die Initianten. Wie auch immer, die Verschuldung der Bürger bliebe erhalten, nur die Eigentümerseite der Schulden würde von der Privatwirtschaft in öffentliche Hände wechseln. Dies wäre logischerweise ein weiterer Schritt in Richtung Verstaatlichung.
Wichtigste Veränderung gegenüber heute im Detail
Der wichtigste Punkt den die Organisatoren des Referendums vorgebracht haben ist, dass ihr Plan das Ende des Teilreserve-Bankings herbeiführen würde. Heute sind die Banken in der Eurozone dazu verpflichtet, Mindestreserven von nur 1% bei ihrer nationalen Zentralbank zu halten. In der Schweiz liegt der Mindestreservesatz mit 2.5% etwas höher. Die Mindestreserve wirkt sich unmittelbar auf die Liquiditätslage der Banken aus. Eine Erhöhung der Reservesätze entzieht den Kreditinstituten Liquidität, eine Senkung führt Liquidität hinzu. Es ist ein Fakt, dass die private Buchgeldschöpfung vonseiten der Banken gleichzeitig die Inflation befeuert. Dies lässt sich anhand eines vereinfachten Beispiels veranschaulichen: Wenn ein Kunde bei seiner Hausbank 1.000 Euro anlegt, kann die Hausbank zusammen mit anderen Geschäftsbanken, nachdem das Geld bei der Zentralbank als Mindestreserve hinterlegt wurde, nach bestehenden Regelungen zur Mindestreserve in der EU, daraus bis zu 100.000 Euro an neuen Krediten schöpfen und verleihen.
Wie man sieht, wirkt sich diese Methode der Kreditschöpfung selbstverständlich auf die Geldmenge aus. Eine Absenkung des Mindestreservesatzes, wie er im Jahre 2012 von 2% auf 1% vollzogen wurde, führt damit letzten Endes zu einer Ausweitung der Geldmenge mit dem Resultat einer steigenden Inflation. Wir alle kennen das Spiel „Monopoly“ und wissen auch was passiert, wenn derjenige, der die Bank übernimmt, jedem Teilnehmer anstelle von 100.000 Spielgeldeinheiten einfach 200.000 Einheiten zur Verfügung stellt. Fakt bleibt, dass die Zahl der Grundstücke und Häuser nach wie vor gleich begrenzt ist. Allerdings treiben die Spieler die Preise aufgrund der höheren Geldmenge automatisch in die Höhe. Diese Geldpolitik führt letztlich einzig zur Verwässerung/Abschwächung der Kaufkraft des Geldes und zur künstlichen Aufblähung von Finanz- und Vermögenswerten. Es ist eine versteckte Steuer, worüber sich der Großteil der Bevölkerung jedoch nicht bewusst ist. Dieses Privileg der Banken, ein von den Regierungen abgesegnetes Modell, ist äußerst attraktiv, da es mit der Möglichkeit verbunden ist, Geld quasi aus dem Nichts zu schöpfen und darauf Zinsen zu fordern.
Die Abschaffung des Teilreserve-Bankings mag für manche Kritiker des Bankensystems eine verlockende Aussicht sein. Sowohl Antikapitalisten als auch Befürworter von gutem Geld sind sich bei diesem Thema einig. Selbst der „Keynesianer“ Paul Krugman bezeichnete die Debatte als „interessant“ und erklärte, in seinem Artikel in der New York Times vom April 2014, dass er sich nicht ganz sicher sei, auf welcher Seite er steht.
Dass die Menschen nach wie vor verstehen was grundsätzlich richtig und was falsch ist, erkennt man daran, wenn man sie über unser Geldsystem aufklärt. Erklärt man ihnen, dass Geschäftsbanken sich das Geld, welches sie gegen Zins verleihen, gar nicht selbst besorgen müssen, sondern einfach aus dem Nichts schaffen können, dann dauert es nicht lange bis sie erkennen, dass das bestehende Geldsystem grundsätzlich auf einem staatlichen Privileg basiert, welches man zu guter Recht hinterfragen sollte.
Oberflächlich betrachtet mag die Vollgeld-Initiative wie eine solide Bewegung erscheinen, die Abhilfe verspricht. Wenn man sich jedoch länger mit der Reformidee des 100%-Geldes beschäftigt und den Plan in seiner Gesamtheit betrachtet, zeichnet sich etwas anderes ab.
Die Vollgeld-Initiative würde das Privileg der Kreditschöpfung zukünftig vollständig an die staatliche Zentralbank abtreten und ihr damit absolute Kontrolle über die Papier- und E-Geldschöpfung einräumen. Das Komitee der Vollgeld-Initiative argumentiert, dass die Initiative dafür sorgt, dass sowohl Bargeld, als auch elektronisches Geld immer aus „sicheren“ Schweizer Franken besteht, da es nur noch von der Nationalbank im „Gesamtinteresse“ des Landes in Umlauf gebracht wird. Die Kreditversorgung der Wirtschaft bleibe in einem Vollgeld-System gewährleistet, da die Nationalbank den Banken weiterhin Kredite gewähren könne. Die Nationalbank würde dadurch sowohl Kreditengpässe als auch Geldschwemmen verhindern und die Schweiz wäre besser vor Finanzkrisen geschützt. Sollte die Initiative Erfolg haben, könnten die Banken nur das Geld verleihen, dass ihnen von Sparern, Investoren oder der Nationalbank zur Verfügung gestellt wurde oder das sie selbst besitzen.
Die SNB wäre infolgedessen allein dafür verantwortlich diejenige Geldmenge zu bestimmen, die ihrer Ansicht nach die Wirtschaft benötigt, um Preisstabilität oder die Versorgung mittels Kredit zu gewährleisten.
Grundsätzlich erinnert diese Initiative somit an einen der Kernpunkte des kommunistischen Manifest, die „Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol“.
Zentralbanken setzen Zinssätze auf willkürliche Art und Weise fest und besitzen weltweit im Wesentlichen das Monopol auf diese Art der willkürlichen Geldschöpfung aus dem Nichts. Eine weitere Ausweitung dieser Macht hätte wahrscheinlich verheerende Folgen und könnte unumkehrbare Auswirkungen, sowohl auf die Wirtschaft als auch auf die Gesellschaft als Ganzes, mit sich bringen. Lord Acton meinte einst: „Power corrupts and absolute power corrupts absolutely“
© Claudio Grass, Hünenberg, Schweiz
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