Vollgeld-Initiative: Bekommt die Schweiz ein neues Geldsystem? – Teil II
Eine alte Idee im neuen Gewand
Die Idee des 100%-Geldes an sich ist nicht neu. Bereits während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre schlugen Ökonomen der Universität von Chicago vor, dass Banken verpflichtet sein sollten, als Reserven gleichwertige Guthaben bei der Zentralbank zu hinterlegen. Das Interesse an der Idee ließ nach, wurde aber nach der Krise von 2008 und dem damit verbundenen öffentlichen Aufruhr wiederbelebt. Die technische Natur des Vorschlags und seine Folgen führten zu einigen Missverständnissen. Die Verwendung emotionaler und populistischer Argumente war jedoch erfolgreich darin, zumindest die Unterstützung gewisser Intellektueller in der Öffentlichkeit zu gewinnen.
Trotz aller Überlegungen ändert sich nichts an der Tatsache, dass auch unter dem Vollgeld-System die Geldschöpfung aus dem Nichts bleibt. Zusätzlich erhält die SNB absolute und somit unkontrollierbare Macht über die Ausgabe neuen Geldes. Damit würde sie im Grunde genommen den Missbrauch durch politische Beamte garantieren. Man denke nur an Ausgabenprogramme und die verführerische Inflationspolitik. Selbst unpopuläre Steuererhöhungen müssten nicht mehr vor das Volk, man könnte es direkt durch das Anwerfen der Druckerpresse umgehen.
Interessant ist, dass selbst die SNB eine Stellungnahme veröffentlicht hat, die den Vorschlag kritisiert und vor zu viel Macht in den eigenen Händen warnt: „Die «schuldfreie» Ausgabe von Zentralbankgeld, welche die Initiative vorsieht, würde die Nationalbank politischen Begehrlichkeiten aussetzen. Zudem käme es zu einer Konzentration von Aufgaben bei der SNB, welche die Unabhängigkeit der Geldpolitik und damit die Erfüllung des Mandats gefährdet.“
Fazit
Die Vollgeld-Initiative bekämpft, geschweige denn löst die Probleme unseres heutigen Zentralbankensystems in keiner Art und Weise. Sie verlagert einzig die Geldschöpfung von einigen Geschäftsbanken in die alleinige Hand der Nationalbank. Damit ist dies eine weitere Konzentration der Macht, was für Anhänger von freien Märkten keine Lösung sein kann. Gleichzeitig ändert sich nichts daran, dass wir auch im Vollgeld-System mit Schuldtiteln und nicht mit Eigentumstiteln bezahlen, denen kein realer Wert zu Grunde liegt und die von der Zentralbank auch in Zukunft aus dem Nichts erschaffen werden.
Wie die Vergangenheit zeigt, ist es unmöglich in einem „Scheingeld-System“ Vermögen über die Jahre anzusparen, insbesondere wenn man die Ersparnisse in der Form von Bargeld zur Seite legt. Die staatliche Inflationspolitik mit bspw. 2% stellt sicher, dass innert 20 Jahren die Kaufkraft Ihrer Ersparnisse ein Drittel einbüßen werden. Somit werden die Menschen dazu getrieben, ihre Ersparnisse zu investieren und damit einem höheren Risiko auszusetzen, wobei der Totalverlust grundsätzlich jederzeit möglich ist. Für diejenigen, denen dieses Risiko zu hoch ist, bleibt die Möglichkeit ihren Konsum soweit in die Höhe zu treiben, wie sie pro Monat an Schuldzinsen aufzubringen vermögen. Man folgt einer antiliberalen Politik der Kapitalaufzehrung und empfiehlt in allem die Gegenwart auf Kosten der Zukunft reichlicher zu versorgen. Daran ändert sich auch unter dem Vollgeld-System nichts.
Ein Vollgeld-System wäre zudem auch keine Garantie gegen Finanzkrisen, sondern die damit verbundene Unsicherheit könnte zu einem Ausbruch einer neuen Krise in der Schweiz führen. Es ist davon auszugehen, dass die Umstellung der Kreditversorgung durch Banken exklusiv zur SNB sich schwierig gestalten dürfte und daher eher deflationär wirken würde. Nach wie vor hat die SNB ihre Bilanz seit 2008 mehr als verachtfacht (8x) und dementsprechend höher sind die Kredite durch die Geschäftsbanken ausgefallen, welche dadurch erst ermöglicht wurden. Heute geht man davon aus, dass der Anteil der Geldschöpfung (Kreditschöpfung) zu 10% bei der SNB liegt und die restlichen 90% im Bankensystem entstanden ist. Die Verschuldung der Schweizer(innen) ist deshalb in den letzten 10 Jahren auf Rekordstand geklettert und liegt derzeit an der Spitze der G-20. Gemäß Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), beträgt die Verschuldung der Privathaushalte insgesamt 853 Milliarden USD oder 128% des Bruttoinlandproduktes.
In Anbetracht dieser sich dadurch zukünftig stellenden Herausforderung, ist das Risiko sehr hoch, dass die Nationalbank unter politischen Druck geraten würde, wenn ihr die vollständige Kontrolle über die Geldmenge zukäme. Die SNB würde zwangsläufig zum Spielball der nationalen Politik und den damit verbundenen „Pressure Groups“ werden, die sich insbesondere für soziale Umverteilung einsetzen. Die Jungsozialisten bspw. in der Schweiz wollen nach wie vor „das kapitalistische System überwinden“. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich weite Teile der Privatwirtschaft wie die Mitglieder des Dachverbandes der Schweizer Wirtschaft, der Economiesuisse und die der schweizerischen Bankiervereinigung dagegen auflehnen.
Die Vollgeld-Initiative wird in der Schweiz mit großer Wahrscheinlichkeit scheitern. Bisher gibt es keine Partei, die die Initiative unterstützt. Zudem hat eine Mehrheit im Parlament diese bereits abgelehnt. Aus der Sicht von Bundesrat und Parlament würde die Schweiz mit der Einführung des Vollgeld-Systems ein weltweit einzigartiges Experiment mit ungewissem Ausgang wagen. Gleichzeitig geniesst der Staat in der Schweiz nach wie vor großes Vertrauen bei der Bevölkerung. Grund dafür ist, dass wir nie einen zentralistischen Staat hatten. Somit wurde die menschliche Willkür, dank offenen Diskussionen und Meinungsfreiheit, auf Stufe Gemeinde oder Kanton eingeschränkt. Nichtsdestotrotz ist ein beständiger, schleichender Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen sichtbar, dennoch, in Zeiten der Unsicherheit hält die Mehrheit der Stimmbürger am Bestehenden fest.
Abschliessend lässt sich sagen, dass die Vollgeld-Initiative lediglich Symptome bekämpft aber nicht deren Ursache sieht, geschweige denn diese kritisiert. Gleichzeitig suchen die Initianten die Lösung auf der falschen Seite. Wir brauchen nicht noch mehr Staat und damit einhergehend eine stärkere Zentralisierung sowie Verstaatlichung, sondern weniger davon. Denn der Staat kann nichts geben, was er nicht zuvor willkürlich Anderen abgenommen hat.
© Claudio Grass, Hünenberg, Schweiz
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