Vollgeld-Initiative in der Schweiz: Nehmt den Banken die Lizenz zum Gelddrucken!
Wenn die Schweizer an die Wahlurnen treten, wird dies in den Nachbarländern meist nicht weiter beachtet – die direkte Demokratie sorgt dafür, dass die Eidgenossen mehrfach pro Jahr abstimmen, während hierzulande das Wahlvolk nur alle paar Jahre seine Meinung kundtun kann. Doch am kommenden Sonntag steht eine Abstimmung in der Schweiz an, die für die gesamte Europäische Union weitreichende Folgen hat: Die Volksabstimmung dreht sich um eine radikale Reform des Geldsystems, die als „Vollgeld-Initiative“ bekannt geworden ist. Doch was steckt hinter dieser kleinen Revolution?
Das „Manager Magazin“ hat Daniel Stelter, Gründer des auf Strategie und Makroökonomie spezialisierten Diskussionsforums “Beyond the Obvious” gebeten, für Aufklärung zu sorgen. Stelter macht deutlich, dass es um nicht weniger als eine einschneidende Änderung der bestehenden Geldordnung geht – konkret: „Es geht um nichts weniger, als den Banken die Möglichkeit der Geldschöpfung zu nehmen.“ Dieses Privileg soll künftig nur noch die Notenbank erhalten. Daniel Stelter erinnert an die Rettung der Großbank UBS, welche als mahnendes Beispiel dient. Die Banken sollen künftig gezwungen sein, ihre Kundeneinlagen in voller Höhe bei der Zentralbank zu halten. „Sie wären in diesem System die Verwahrer von Notenbankgeld und könnten nur dann Kredite vergeben, wenn die Sparer zuvor der Bank einen Kredit geben – und zwar explizit, nicht nur dadurch, dass sie ihr Geld auf dem Girokonto stehen lassen“, erläutert Stelter.
In seiner Analyse macht der Ökonom deutlich, dass die Notenbanken nur indirekt und schwach Einfluss auf die Entwicklung der Geldmenge hätten, während 90 Prozent allen Geldes von den privaten Banken geschaffen werde. Denn die Bank kann Kredite vergeben, ohne Spareinlagen im entsprechenden Gegenwert vorzuhalten. Es wird Geld aus dem Nichts erschaffen, das so genannte „Fiat Money“. In der Theorie sollte solches Geld auch durch irgendwelche Gegenwerte gedeckt sein – in der heutigen Praxis werden jedoch Kredite ohne ernsthafte Sicherung vergeben. Im Nullzins-Zeitalter gehört es schon fast zum guten Ton, auf großem Fuß zu leben und per Kredit zu operieren.
„Vollgeld“-Idee ist nicht neu
Die „Vollgeld“-Idee ist nicht neu, sie wurde in den vergangenen Jahrhunderten von vielen bekannten Vordenkern wie Benjamin Franklin und dem Nobelpreisträger Milton Friedman propagiert, jedoch nie umgesetzt worden – laut Daniel Stelter liegt dies vor allem „am Lobbyismus der Banken und an der einsetzenden Erholung der Wirtschaft von der großen Depression.“ Er räumt ein, dass das „Fiat Money“ nicht durchweg negativ zu bewerten sei, da es Motor für die Entwicklung der modernen Volkswirtschaften gedient habe. „Durch die Vergabe von Krediten gegen gute Sicherheiten, sollte das neu geschaffene Geld werthaltig und zugleich knapp sein. Da die Banken zudem ein Interesse am eigenen Überleben haben, sollten sie vorsichtig agieren mit ausreichendem Eigenkapital und umsichtiger Kreditvergabe an solide Schuldner“, erklärt Stelter – und schränkt ein: „In der Praxis haben wir das System pervertiert. Konkursrisiken wurden für Banken weitgehend abgeschafft.“
Daniel Stelter weist in seinem Artikel für das „Manager Magazin“ darauf hin, dass die Schweiz mit ihrer stabilen Währung, dem Franken, eigentlich nicht dringend ein Vollgeld-System benötigen würde, weil das Bankensystem des Landes heute weitaus solider finanziert sei. Ein solcher Schritt sei viel mehr für die Eurozone nötig. Sie einen einmaligen Umstellungsgewinn in Milliardenhöhe erzielen, der vom Staat zur Schuldentilgung verwendet werden kann: „In einem ersten Schritt müssen die Banken sämtliche Ausleihungen zu 100 Prozent mit Einlagen decken. Da sie das bisher nicht tun, müssen sie sich das dazu erforderliche Geld bei der Zentralbank leihen“, erläutert Stelter. Die Zentralbank müsste die Ausleihungen zu 100 Prozent refinanzieren. Stelter glaubt zudem, dass bei der Umstellung auf Vollgeld glaubhafter gemacht werden könne, dass es sich um eine einmalige Aktion handelt und nicht um den Einstieg in eine dauerhafte Finanzierung des Staates durch die Notenbank. Die Umstellung auf Vollgeld der Eurozone könne einen Neustart ermöglichen – allerdings trifft Daniel Stelter eine wichtige Einschränkung: Die Umstellung würde nichts an der Unfähigkeit der politischen Akteure ändern und es ist fraglich, ob ein solches System das Vertrauen der Bevölkerung genießen würde. Stelter warnt: „Zu groß ist die Gefahr, dass die Politik der Versuchung nicht widerstehen wird, durch großzügiges Geldmengenwachstum Scheinblüten zu erzeugen und damit die Krisen noch zu vergrößern.“
Hier finden Sie den Artikel auf Manager Magazin Online.
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