Zerbrechliche Banken
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
heute widme ich mich ein weiteres Mal dem Thema Banken, weil es uns alle in den kommenden Monaten und darüber hinaus beschäftigen wird. Das hat vielfältige Gründe. Weiter führende Überlegungen dazu finden Sie nicht nur im folgenden Text, sondern auch im angehängten “Wort zum Wochenende”, das in der vergangenen Woche wegen eines Softwareproblems verspätet bei gburek.eu erschien und deshalb hier nochmals veröffentlicht wird.
Zerbrechliche Banken
Da wird seit Monaten darüber spekuliert, unter welchen Bedingungen Deutsche Bank und Commerzbank zueinander finden, wie sich der Bund als Commerzbank-Großaktionär wohl entscheiden wird und ob es gelingt, aus beiden einen international konkurrenzfähigen deutschen Finanzkonzern zu schmieden. Doch die eigentlichen Akteure – Vorstand und Aufsichtsrat beider Banken, die EZB und Finanzminister Olaf Scholz als eine Art Verwalter des Commerzbank-Bundesanteils – hüllen sich in Schweigen. Aus nahe liegendem Grund, denn das ganze deutsche Bankensystem ist so zerbrechlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Das geht aus einem aktuellen Papier der Deutschen Bundesbank hervor, das auf der Umfrage bei 34 deutschen Banken beruht und eklatante Systemschwächen aufzeigt. Deren Ursachen liegen auf der Hand: niedrige bis null Zinsen, knallharter Wettbewerb und Missmanagement vieler Banken und Sparkassen beim Umgang mit dieser für sie ungewohnten Situation. Anlass genug, den Dingen anhand des Bundesbank-Papiers auf den Grund zu gehen:
Darin heißt es, die Bedingungen für die Vergabe von Unternehmenskrediten und privaten Wohnungsfinanzierungen haben sich “in geringem Umfang gelockert”. Das klingt zunächst harmlos, wird aber bereits kurz darauf modifiziert, wenn es heißt: “Nach einer eher verhaltenen Entwicklung im Vorquartal gewann die Kreditnachfrage in allen erfragten Kreditsegmenten wieder an Dynamik. Dabei stieg der Mittelbedarf im Unternehmenskreditgeschäft deutlich an und übertraf damit die Erwartungen aus dem Vorquartal.”
Der Inhalt des folgenden Zitats hat es noch mehr in sich, offenbart er doch zweierlei: Deutsche Banken verdienen mit Krediten so gut wie nichts (oder sie nehmen sogar Verluste in Kauf). Und was die Bonität der Kreditnehmer angeht, wird schon mal ein Auge zugedrückt – ein gefährliches Spiel. Da mag der folgende Bundesbank-Text noch so holprig daherkommen, letzten Endes belegt er im gespreizten Banker-Deutsch, dass aus dem Spiel von heute auf morgen Ernst werden kann. Hier ist der Wortlaut:
“Die Banken lockerten die Bedingungen insgesamt (d.h. die in den Kreditverträgen vereinbarten tatsächlichen Bedingungen für die Gewährung von Krediten) im Firmenkundengeschäft und im Bereich der privaten Wohnungsbaukredite per saldo weiter. Dies geschah abermals über eine bonitätsunabhängige Verringerung der Margen bei den Wohnungsbaukrediten und über eine Verengung der Margen für durchschnittliche Bonitäten bei den Unternehmenskrediten. Die Banken begründeten die Anpassungen wiederholt in erster Linie mit der hohen Wettbewerbsintensität.”
Verfolgt man die Margen, also was nach Abzug aller Kosten, ausgedrückt in Prozent von den Erlösen, übrig bleibt, sieht es für die Banken überhaupt nicht gut aus: Zum Tiefpunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren pendelten die Margen noch um 3 Prozent. Im Lauf der Jahre sind sie unter 2 Prozent gesunken, Tendenz weiter abwärts. Und EZB-Chef Mario Draghi denkt nicht daran, die Zinsen zu erhöhen und dadurch mehr Margenspielraum zu schaffen. Folglich neigen immer mehr Banken und Sparkassen dazu, im Hinblick auf die Bonität ihrer Kreditkunden großzügig zu sein, um die Margen nicht weiter abrutschen zu lassen.
Der zu erwartende Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank ist ein Sonderfall. Zwar spüren beide wie alle anderen Banken auch den Druck auf die Margen, aber ihr wichtigstes Problem ist anders gelagert und einzigartig:
Sie passen mit ihren unterschiedlichen Strukturen nicht zusammen, trotzdem sollen sie – auch mithilfe des Staats wegen dessen Beteiligung an der Commerzbank – einen Finanzkonzern schmieden, der international gegen HSBC, JP Morgan, Goldman Sachs und weitere Investmentbanken mithalten kann. Und das bei unzureichenden Margen, zu hohen Personalkosten, überholungsbedürftiger Software, noch zu bereinigenden Rechtsfällen der Deutschen Bank und einem Geschäftsmodell, das mithilfe des Managements und der Aktionäre beider Banken, der Bankenaufsicht und des Finanzministeriums erst noch erarbeitet werden muss.
Eine neue Finanzkrise (wie die von 2008/09 oder noch härter) würde den Großteil der deutschen Banken unvorbereitet treffen. Da drängt sich die Frage auf, wie es dann um deren Beziehungen zu den Kunden stünde. Zweifellos müssten Kreditkunden, zum Beispiel mittelständische Unternehmer und Eigentümer von beliehenen Immobilien, mit schärferen Anforderungen an ihre Bonität rechnen. Geldanleger wären betroffen, falls sie Anleihen, Zertifikate oder sonstige Papiere besitzen, die zu den Inhaberschuldverschreibungen gehören. Dagegen sind Fonds Sondervermögen und bleiben ebenso wie Wertpapierdepots vor Zugriffen geschützt.
Einen Sonderfall bilden Konten aller Art, die in der Regel gesetzlichen Schutz bis 100.000 Euro pro Kunde und Bank gewährleisten. Die Obergrenze erhöht sich in Sonderfällen, zum Beispiel nach dem Verkauf einer privaten Immobilie, bis 500.000 Euro; das gilt dann für ein halbes Jahr. Außer dieser gesetzlichen Einlagensicherung gibt es noch die der privaten Banken, der öffentlichen Banken, der Sparkassen und der Volks- und Raiffeisenbanken. Weiterführende Details sind zuhauf im Internet zu finden, etwa unter bafin.de.
Damit ist indes noch nicht die Frage beantwortet, ob die Sicherungssysteme ausreichen, um die Folgen einer erneuten Finanzkrise abzufangen. Als es im Jahr 2008 an den Kapitalmärkten brenzlig wurde, erwies sich ja nicht etwa eines dieser – erst 2015 reformierten – Systeme als Retter in höchster Not, sondern die an jenem 5. Oktober an die Öffentlichkeit gerichtete Beruhigungspille von Kanzlerin Angela Merkel, die im legendären Satz gipfelte: “Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind.” Das war substanziell fragwürdig, ging jedoch psychologisch betrachtet gerade noch mal gut.
Wem weder die erwähnten Obergrenzen noch politisch motivierte Beruhigungspillen geheuer sind, kann als Liquiditätspolster auf gängige Goldmünzen und -barren anstelle von Tages- oder Festgeld setzen. Die bringen zwar keine Zinsen, aber Geld auf dem Konto ist in der Regel ja auch zinslos. Seit der Goldpreis wieder allmählich (und mit Unterbrechungen wie zuletzt am vergangenen Freitag) abzuheben beginnt, ist zu erwarten, dass es bis auf Weiteres dabei bleibt. Nebenbei bemerkt: Führende Vermögensverwalter setzen schon seit geraumer Zeit auf Gold.
Das Wort zum Wochenende: Der fatale Trend zu steigenden Schulden
Hinter dem jetzt vorläufig beendeten Shutdown in den USA steckt viel mehr als die Stilllegung des Staatsapparats, weil die oppositionellen Demokraten den Haushalt der Trump-Regierung einfach nicht genehmigen wollen. Vielmehr handelt es sich um ein Phänomen, das tief in der ganzen amerikanischen Gesellschaft verankert ist: Auf Pump leben in der Hoffnung, irgendwie werde sich schon alles zum Besseren wenden.
Dazu nur dieses Beispiel: Bis 2007 nahmen die Amerikaner enorme Hauskredite auf in der Erwartung, die Hauspreise würden immer weiter steigen. Als die Preise dann einknickten und die Kreditblase platzte, standen die viel zu hoch verschuldeten Kreditjongleure vor dem Nichts – was andere, die es nicht so böse oder gar nicht erwischt hatte, in den vergangenen Jahren das ganze Spiel von Neuem begannen.
Das Spiel der Amerikaner beschränkt sich keineswegs auf Hauskredite. So zitiert die Wall Street-Kommentatorin Sophie Schimansky öffentliche Quellen, wonach fast 7 Prozent der US-Schulden auf staatliche Studentenkredite entfallen. Und laut einer Studie der Notenbank Fed vom vergangenen Juni mussten 42 Prozent aller Studenten Schulden für ihre Bildung aufnehmen. Im Durchschnitt ist jeder von ihnen zu mindestens 20.000 Dollar verschuldet.
Der Trend zu steigenden Schulden zeigt auch in Europa nach oben. Angeheizt wird er durch die bislang positive Wirtschaftsentwicklung und die niedrigen Zinsen. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dies nicht für alle europäischen Länder gilt. Spanien, Italien, Portugal und Griechenland – um nur die vier besonders problematischen zu nennen – hinken wirtschaftlich hinterher, sodass der Kreditmotor dort stottert. Wenn die Franzosen, speziell die Gelbwesten, so weitermachen wie bisher, können sie sich schon bald in die Phalanx der Krisenländer einreihen. Ganz zu schweigen von den Briten, die gerade dabei sind, in Europa ein Tohuwabohu anzurichten.
Eine Frage, die bei der ganzen Diskussion über Schulden zu kurz kommt, betrifft ihr Verhältnis aus Sicht der Anleger, also im Wesentlichen der Eigentümer von Immobilien und Wertpapieren. Während Immobilieneigentümer – vor allem in ihrer Funktion als Vermieter – wie selbstverständlich mit Schulden = Krediten umgehen, ist das bei Wertpapierkrediten ganz anders: Sie scheinen besonders für private Anleger im Gegensatz zu institutionellen nur eine geringe Rolle zu spielen. Grund genug, ein wenig nach den Ursachen zu forschen.
Schulden, das hört sich nicht so gut an, also sprechen Banker lieber von Baufinanzierung, von Bau- oder Hauskrediten. Mit ihnen werden Immobilien beliehen, mal zu 60 Prozent, mal zu 80 Prozent, von Fall zu Fall auch höher. Entscheidend sind: die Bonität des Kreditnehmers und der ermittelte oder geschätzte Wert der Immobilie. Doch was sich so schlüssig ausnimmt, kann problematisch werden. Nur zwei Beispiele.
Erstens: Die Bonität kann von heute auf morgen nichts mehr wert sein, sobald ein Angestellter seinen Job verliert, ein Freiberufler unter Kundenschwund leidet oder ein Unternehmer konjunkturbedingt in eine Auftragsflaute gerät. Zweitens: Der Wert einer Immobilie ist keineswegs in Stein gemeißelt, vielmehr kann er steigen und fallen. Zurzeit erleben wir besonders in den deutschen Metropolen und Universitätsstädten einen Immobilienboom, angeheizt insbesondere durch die niedrigen Zinsen. Das wird sich ändern, sobald der Bedarf an Wohnraum gedeckt ist, sobald die Zinsen steigen und sobald die Kreditgeber aufgrund dessen mit der Beleihung von Immobilien etwas vorsichtiger werden.
Sind Immobilienkredite gang und gäbe, so lässt sich das von Wertpapierkrediten nicht geraden behaupten. Eine Ursache ist schnell gefunden: Wie die jüngste Bundesbank-Statistik belegt, ist das Geldvermögen der Deutschen in Höhe von gut 6 Billionen Euro vorrangig in niedrig verzinslichen Konten, Lebensversicherungen und vergleichbaren Geldwerten angelegt. Daraus ergibt sich kein Spielraum für Kredite. Eine ähnliche Größenordnung, die sich nur schätzen lässt, entfällt auf Immobilien.
Eine weitere Ursache besteht darin, dass die Kurse der Wertpapiere, vor allem der Aktien, stark schwanken. Kreditgeber beleihen sie folglich – falls überhaupt – in der Regel weder zu 60 noch zu 80 Prozent, sondern viel niedriger. Und das, obwohl deutsche Aktien über Jahrzehnte hinweg je nach Zeitspanne im Durchschnitt um 6 bis 7 Prozent an Wert zugelegt haben. Doch das ist ein Kapitel für sich.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
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Dieser Artikel wurde am 03.02.2019 auf www.goldseiten.de veröffentlicht.
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